Die Sünderin
ins «Aladin» kam. Heulend! Das Mädchen verzog sich mit ein paar anderen aufs Klo. Melanie war neugierig, folgte dem Grüppchen und schnappte zwischen zahlreichen Schluchzern die Sätze auf: «So ein Schwein! Er hat überhaupt nichts unternommen. Er ließ den einfach machen. Die zeige ich an.» Eine andere Stimme riet: «Du solltest lieber den Mund halten. Wir hatten dich gewarnt, und du bist freiwillig mitgefahren.»
Den Mund hielten sie alle. Trotzdem war es für Johnny schwieriger geworden, er kam nicht mehr so gut an. Es konnte nur noch eine Frage der Zeit sein, ehe er das Revier wechseln musste. Dass sich die Gefahr, die von ihm ausging, bis zu Cora herumgesprochen hatte, musste man bezweifeln. Wo Cora doch immer mit Horsti zusammen war.
An dem Abend nicht. Johnny nutzte seine Chance prompt. Und Cora war so verliebt, richtig weggetreten. Sie tanzten und schmusten. Melanie beobachtete sie und war fest entschlossen, Cora zu warnen, bevor sie sich von Johnny zu einer Tour überreden ließ. Aber es geschahen noch Wunder. An dem Abend hatte der kleine Dicke auch einmal Glück. Melanie sah ihn ebenfalls tanzen – fast ohne Pause und immermit demselben Mädchen. Neu im «Aladin», blond und ein bisschen pummelig, aber ganz niedlich. Genau das Richtige für den kleinen Dicken.
«Wir sind um halb elf gegangen», sagte Melanie Adigar. «Da tanzte er immer noch mit ihr. Und Cora war mit Johnny zusammen. Ich wollte ihr den Spaß nicht verderben. Ich dachte, wenn sie zu viert sind, kann ja nicht viel passieren. Es war das letzte Mal, dass ich Cora gesehen habe. Johnny und sein Freund sind danach auch nicht wieder aufgetaucht.»
Horst Cremer hatte diese Angaben bestätigt und ergänzt. Er war zuletzt am ersten Maiwochenende mit Cora zusammen gewesen. Da hatte sie ihm gesagt, sie könne sich erst in zwei Wochen wieder mit ihm treffen. Einen besonderen Grund hatte sie dafür nicht angegeben, gewiss kein Wort verlauten lassen, dass es ihrer Schwester schlechter ging als sonst. Aber sie hatte nur äußerst selten einmal von ihrer Schwester gesprochen.
Am 16. Mai blieb Horst Cremer daheim. Am 23. wartete er vergeblich im «Aladin» auf Cora. Er drückte sich zwei Abende in der Nähe ihres Elternhauses herum in der Hoffnung, sie zu Gesicht und eine Erklärung von ihr zu bekommen. Auch vergebens. An der Haustür zu klingeln, wagte er nicht bei seiner Schüchternheit und den Horrorgeschichten, die sie ihm über ihren strengen Vater erzählt hatte.
Horst Cremer versuchte sein Glück am letzten Maisamstag noch einmal im «Aladin». Cora erschien nicht. Er fragte ein wenig herum und erfuhr, dass sie ihn am 16. schmählich verraten hatte. Nicht nur Melanie Adigar hatte den Beginn der Liaison mit Johnny Guitar beobachtet. Ein paar andere wollten gesehen haben, dass Cora später in der Nacht zu Johnny und seinem kleinen, dicken Freund ins Auto gestiegen war – zusammen mit noch einem Mädchen, das allerdings niemand kannte!
Rudolf Grovian hatte augenblicklich an die skelettierteLeiche denken müssen bei dieser Auskunft. Von wegen: Wenn sie zu viert sind, kann ja nicht viel passieren.
Um welches Auto es sich gehandelt hatte, ließ sich nicht mehr in Erfahrung bringen. Melanie Adigar erinnerte sich nicht genau. «Die kamen nicht immer mit demselben Wagen. Kann sein, dass da mal ein silberfarbener Golf dabei war. Der muss dann aber dem kleinen Dicken gehört haben. Johnny stand auf Nobelkarossen. Porsche oder Jaguar. Einmal sah ich ihn aus einem Amischlitten steigen. Keine Ahnung, was für ein Typ das war. Lindgrün war er, das weiß ich noch, mit riesigen Heckflügeln, ein Oldie, ein richtiges Angeberauto. Da dachte ich, der Typ hat einen reichen Papi. Oder sie haben zu Hause einen Autoverleih.»
Auch Horst Cremer konnte keine Auskünfte über den Wagen geben. Man hatte ihm keine Marke genannt. Zu Johnny ins Auto gestiegen eben. Horsti hatte seinen ersten Kummer ersäuft. Bis Mitte Juni schwankte er zwischen Enttäuschung und der Hoffnung, dass Cora zu ihm zurückfände. Johnny war bekannt dafür, dass er nur nach Buchholz kam, um zu naschen.
Horsti verbrachte jedes Wochenende im «Aladin» und belauerte Abend für Abend ihr Elternhaus. An einem Sonntag Ende Juni ging er aufs Ganze. Er begnügte sich nicht damit, an der Straßenecke zu stehen. Er klingelte an der Haustür.
Zu Rudolf Grovian hatte er gesagt: «Da kam ein altes Weib an die Tür, so ein zotteliges Schreckgespenst. Ich frag sie nach Cora, und sie sagt zu mir:
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