Die Sünderin
glatte Wange. Mit einem Finger zeichnete sie die Konturen der Lippen nach. «Musst du nochmal zur Toilette, bevor wir uns hinlegen?»
Magdalena schüttelte den Kopf. Sie erhob sich von der Bettkante.
«Dann hole ich uns den Rest vom Sekt.»
Die Flasche war noch fast voll. Um acht hatten sie jede nur einen winzigen Schluck getrunken. Magdalena hatte behauptet, der Sekt schmecke ihr nicht. Sie selbst war vorsichtig gewesen, weil Magdalena darauf bestand, dass sie noch ins «Aladin» fuhr. Jetzt war sie dankbar für Magdalenas Hartnäckigkeit.
Magdalena hatte sich aufrecht in die Kissen gesetzt, als sie mit der Flasche und den beiden Gläsern zurück ins Zimmer kam. Magdalena lächelte und betrachtete sie mit kritischem Blick. «Du bist so komisch. Hast du was?»
«Nein. Was soll ich denn haben?» Sehnsucht habe ich. Ich habe mir so lange gewünscht, dass er einmal mit mir spricht. Mit mehr hatte ich nicht gerechnet. Und nun hat er mich sogar angefasst. Getanzt haben wir. Und ich habe mir gewünscht, dass er mit mir hinausgeht, dass er mich liebt. Er war erregt, ich habe es gespürt beim Tanzen. Als ich gehen musste, hat es mich fast zerrissen. Nächste Woche wird er mich nicht mehr kennen. Ich hätte bei ihm bleiben müssen. Die Chance bekommt man nur einmal. Und ich habe sie nur bekommen, weil sonst keine da war für ihn, weil er sich langweilte. Ich weiß das. Und jetzt habe ich meine einzige Chance verspielt. Aber ich hatte dir ja versprochen, dass ich nicht zu lange bleibe.
Manchmal hasse ich dich! Und jetzt hasse ich dich mehr als zu Anfang, ich hasse dich nicht mehr wie ein Kind. Ich hasse dich wie eine Frau, die um ihr Leben betrogen wird. Wenn du nicht wärst, wäre ich frei. Ich müsste nicht seit zwei Jahren mit dieser Klette Horsti im «Aladin» stehen. Alle amüsieren sich darüber. Ich bin mal wieder die Witzfigur. Cora steht nicht mehr betend auf dem Schulhof. Jetzt steht sie mit einem Spargeltarzan im «Aladin». Für einen richtigen Mann hat sie keine Zeit. Sie hat nämlich eine Schwester, die frisst ihr das Leben weg.
Aber heute hätte ich es allen zeigen können. Allen, die wichtig sind. Melanie war da mit ihrer Clique. Du kennst Melanie nicht persönlich. Du kennst niemanden persönlich, nur dich. Wir unterhielten uns kurz. Melanie fragte nach Horsti. «Wo hast du denn deinen Spargeltarzan gelassen?»
«Der ist zu Hause und biegt ein paar Bananen», sagte ich. Dann wollte ich austrinken und heimfahren. Aber genau in dem Augenblick kamen sie herein. Johnny und sein Freund.
Vielleicht sollte ich dir doch von ihm erzählen. Alles, jede Einzelheit. Nur damit du siehst, dass ich mich nicht von dir kaputtmachen lasse, dass ich noch ganz normal fühlen kann. Willst du es hören? Wie sie hereinkamen, sich an einen Tisch setzten, sich umschauten. Wie sie miteinander sprachen. Ich konnte mir denken, worüber. Dass nichts los ist, dass sie woanders hinfahren müssen.
Aber dann sah der Dicke ein Mädchen. Er sieht jedes Mal eins. Nur hatte er bisher keinen Erfolg. Ich weiß nicht, wie oft ich schon beobachtet habe, dass ihn eine abblitzen ließ. Ich dachte, so wäre es auch diesmal. Er stand vom Tisch auf und ging zu ihr. Er sprach sie an. Und sie ging tatsächlich mit ihm zur Tanzfläche.
Johnny saß allein am Tisch. Er langweilte sich, das sah ich. Heute hast du Pech, dachte ich. Da schaute er zu mir herüber. Und dann lächelte er. Ich weiß nicht, ob ich zurückgelächelt habe. Es war in dem Moment ein Gefühl, als sei mein Gesicht eingeschlafen. Und mein Herz war fast flüssig.
Dann stand er auf. Und dann kam er zu mir. Weißt du, was er sagte? «Die festen Hände daheim gelassen, damit ein armer Mann auch ’ne Chance bekommt?»
Ich konnte es nicht glauben. Er fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm zu tanzen. Ob ich Lust hätte! Beim Tanzen erzählte er mir, dass er es bisher nur nicht gewagt hätte, mich anzusprechen, weil Horsti immer bei mir gewesen wäre. Er hielt mich so fest, dass ich ein paar Mal an die Kerze denken musste. Sie ist nicht so dick wie das, was ich gefühlt habe.
Ich fühlte Johnnys Lippen an der Stirn und wartete darauf, dass er mich küsste. Aber er fragte nur, ob ich Lust hätte, woanders hinzufahren mit ihm und seinem Freund. Mit ihm allein wäre ich gefahren, auf der Stelle. Da hättest du ein bisschen länger auf mich warten müssen. Aber zusammen mit seinem Freund! Mir hat mal eine gesagt: Die beiden gibt es nur im Doppelpack. Ich kann mir denken, wie das gemeintwar.
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