Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
… das war mir zu   … Sie hat mir davon vorgeschwärmt. Ich hab’s mal versucht, aber das war mir zu ekligund auch zu gefährlich. Da konnte ich nicht aufpassen, wie sie atmet.»
    Sie zog die Unterlippe ein und zuckte hilflos mit den Schultern. Ihre Stimme war schwer von unterdrückten Tränen. «Ich weiß, dass es nicht richtig war. Ich hätte es nicht tun dürfen. Es war wider die Natur. Dafür wurden Sodom und Gomorrha vernichtet. Ich wollte es ja auch nicht tun. Aber sie sagte, es ist nur bei Vätern und Brüdern verboten, nicht bei Schwestern. Und sie hatte doch nichts von ihrem Leben. Sie wollte so gerne einmal richtig mit einem Mann schlafen, aber das hätte sie niemals   … Sie hatte doch nur mich. Und sie hatte auch Gefühl.»
    Ihre Stimme brach, zwischen zwei Schluchzern bettelte sie: «Sie werden es dem Professor nicht sagen. Versprechen Sie mir das?»
    «Natürlich, Frau Bender, ich verspreche es.» Er hatte es ausgesprochen, noch bevor er richtig erfasste, was sie ihm soeben anvertraut hatte. Das Begreifen ging nicht so rasch. Sie sprach bereits weiter, als ihm klar wurde, wie ihr «Ich habe sie geliebt» zu interpretieren war. Wörtlich!
    «Sie sagte immer, ein Orgasmus sei ein irres Gefühl. Und ich wusste nicht, wie es war. An dem Abend wollte ich es wissen. Und da musste ich heimfahren. Sie hat es gemerkt und nicht lockergelassen. Du bist so komisch, hat sie gesagt. Du hast doch was. Und dann hat sie gesagt, ich soll den Sekt alleine trinken. Er schmeckt nicht, und ihr wird schwindlig davon.»
    Die Schluchzer verstummten. Sie weinte ohne Tränen, hielt den Blick auf ihre Hände gerichtet, auf diese sich drehenden, windenden Finger. Er hatte das Bedürfnis, sie in die Arme zu nehmen oder wenigstens etwas Tröstliches zu sagen. Aber er wollte sie nicht aus dem Konzept bringen und ließ sie weiterstammeln.
    «Ich bin bei ihr geblieben. Ich habe alles getan, was siewollte. Ich habe ihr die Nägel lackiert. Wir haben Musik gehört. Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich höre sie nur immer noch sagen: Tanz für mich!»
    Ihre Finger waren wie zu einem Knoten in ihrem Schoß verflochten. Er hörte die Gelenke knacken und versuchte einzuordnen, was er gerade gehört hatte. Filmriss! Ihr hartnäckiges Leugnen war wie eine Bestätigung. Er lag richtig mit seiner Vermutung. Sie war nicht daheim gewesen, als ihre Schwester starb. Sie hatte erst im November gehört   …
    Ihre Stimme riss ihn aus seinen Überlegungen. Sie stieß die Sätze aus, als fehle ihr der Atem. «Tanz für mich! Lebe für mich. Rauch für mich eine Zigarette. Geh für mich auf den Strich. Such dir für mich die Freier aus, die am besten zahlen. Und damit du etwas für dich hast, geh in die Disco. Such dir einen Freund, schlaf mit ihm. Und dann erzähl mir, wie es war. Ich habe ihr von dem Licht im ‹Aladin› erzählt, wie es flackert, wenn die Musik lauter wird. Rot und grün und gelb und blau.»
    Eine Lichtorgel, dachte er noch. Da schrie sie auf: «Es war dasselbe Licht wie im Keller. Ich kann da nicht hin. Bitte, halten Sie mich fest. Helfen Sie mir. Das halte ich nicht aus. Tun Sie etwas. So tun Sie doch etwas. Ich will nicht in den Keller.» Sie schlug mit den Händen um sich, ruderte durch die Luft, als suche sie Halt.
    Er hätte Professor Burthe rufen müssen. Der Gedanke kam ihm auch, aber er ließ ihn sofort wieder fallen. Der Professor war ein viel beschäftigter Mann. Ob er sich jetzt die Zeit nehmen konnte, den Keller mit ihr zu erforschen, war fraglich. Vermutlich hielt er eine Beruhigungsspritze für angebrachter.
    Rudolf Grovian glaubte sich durchaus imstande, die Situation unter Kontrolle zu halten. Er setzte sich neben sie auf das Bett, griff nach ihren Händen, hielt sie fest, drückte sie und bemühte sich um einen beschwichtigenden Ton, obwohl ihmdas Herz fast zum Hals heraus schlug. Sie war völlig außer sich. Ihr Blick hetzte durch den Raum. Ihre Brust und die Schultern zuckten unter den krampfhaften Atemstößen.
    «Ganz ruhig, Frau Bender, ganz ruhig. Ich bin bei Ihnen. Ich halte Sie fest. Fühlen Sie meine Hände? Es kann überhaupt nichts passieren. Wir gehen jetzt zusammen hinunter und schauen uns um. Ich nehme Sie auch wieder mit hinauf. Das verspreche ich Ihnen.»
    Es klang verrückt. Aber was hätte er sonst sagen sollen? Ihre Hände umklammerten die seinen und zitterten so stark, dass es sich auf seine Arme übertrug. Sie kniff die Augen zusammen.
    «Sagen Sie mir, was Sie sehen, Frau Bender. Was

Weitere Kostenlose Bücher