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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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nicht half, riss sie die Tür auf und sprach einen der Polizisten an. «Haben Sie eine Jacke für mich?»
    Sie trugen beide nur die Hemden ihrer Uniform und wechselten einen raschen Blick. Der Jüngere senkte vor Verlegenheit den Kopf. Der andere, er mochte Anfang vierzig sein, schaffte es, ihr in die Augen zu sehen – und nicht auf die durch den feuchten Stoff schimmernden Brüste. Er schien zu wissen, worum es ging. «Sie brauchen keine Jacke», sagte er in väterlich sanftem Ton. «Da hinten sitzen welche, die haben weniger an als Sie. Sind Sie so weit? Können wir gehen?»
    Sie nickte nur.
    Er hielt den Blick auf ihr Gesicht gerichtet und fragte: «Wer hat Sie verletzt?»
    «Mein Mann», erklärte sie. «Aber er hat das nicht böse gemeint. Er war sehr aufgeregt und hat die Kontrolle über sich verloren.» Der Polizist runzelte die Stirn, als verwundere ihn diese Auskunft. Er fasste mit der Hand an ihren Ellbogen, aber er zog die Hand sofort zurück, als sie zusammenzuckte. «Gehen wir», sagte er.
    Und die Kerzenflammen erloschen endlich.
    In der Zeit, die sie in der Toilette verbracht hatte, war das Gelände weitgehend geräumt worden. All die Menschen, die nicht unmittelbar Zeuge geworden waren, waren verschwunden.Nur weit hinten, wo die grüne Decke sein musste mit dem toten Mann darauf, war noch eine Gruppe von Leuten.
    Es war kurz nach sieben Uhr. Auf der Terrasse, die sich dem Flachbau anschloss, hielten sich rund zwanzig Personen auf. Und alle starrten sie an, als sie näher kam. Die ängstlich fragenden Mienen waren ihr unangenehm.
    Die übrig gebliebenen drei von der Decke saßen ein wenig abseits. Der sitzende Mann versuchte, die beiden Frauen zu trösten. Ute stieß seine Hand weg. Sie wimmerte ohne Unterbrechung. Bei ihnen stand ein jüngerer Mann in einem Sportanzug. Er stellte Fragen und notierte sich die Antworten auf einem Block. Zwei Sanitäter kamen auf die Terrasse. Ute wurde fortgebracht. Alice folgte ihr.
    Es war wie ein Film. Überall rührte und regte sich etwas, und sie schaute nur zu. Der ältere Polizist führte sie zu einem Stuhl und sorgte dafür, dass ein Sanitäter sich ihr Gesicht, vor allem das zuschwellende Auge anschaute. Er war sehr freundlich und blieb neben ihr stehen, während sein junger Kollege zu dem Mann im Sportanzug ging und ein paar Worte mit ihm wechselte.
    Gereon war auch noch da, hielt das Kind auf dem Schoß und betrachtete den Verband an seinem Arm. Der Mann im Sportanzug ging zu ihm und sagte etwas. Gereon schüttelte heftig den Kopf. Dann stand er auf und ging zu dem sitzenden Mann hinüber. Für sie hatte er keinen Blick. Er schaute ihr auch nicht nach, als sie wenig später von den beiden Polizisten flankiert auf das Drahtgitter zuging.
    Dicht beim Eingang standen zwei Streifenwagen und ein weiteres Fahrzeug im Schatten einiger Bäume. Ihr fiel ein, dass Gereons Wagen weit hinten in der prallen Sonne stand. Sie blieb stehen und wandte sich an den älteren Polizisten. Er wirkte reifer und lebenserfahrener als sein Kollege. «Würden Sie mir bitte Ihren Namen nennen?»
    «Berrenrath», sagte er automatisch.
    Sie bedankte sich mit einem Nicken und verlangte: «Hören Sie, Herr Berrenrath: Sie müssen noch einmal zurückgehen und mit meinem Mann reden. Sagen Sie ihm, er soll den Wagen gut durchlüften und die Scheiben wieder hochdrehen, bevor er losfährt. Er wird nicht daran denken, ich kenne ihn. An so etwas denkt er nie. Und der Kleine hat empfindliche Ohren, er war schon oft krank. Wenn er hohes Fieber hat, bekommt er so leicht Krämpfe.»
    Berrenrath nickte nur, öffnete die hintere Tür an einem der Streifenwagen und deutete mit der Hand hinein, sie möge einsteigen. Der Jüngere ging um den Wagen herum, setzte sich hinter das Steuer, drehte sich zu ihr um und ließ sie nicht aus den Augen. Es sah fast aus, als habe er Angst vor ihr.
    Sie hätte ihn gerne beruhigt, nur wusste sie nicht, wie sie ihm das erklären sollte. Es war vorbei! Das hätte er nicht verstanden. Sie verstand es auch nicht. Sie fühlte es nur – als hätte sie es sich mit dem Blut des Mannes auf die Stirn geschrieben: VORBEI!
    Berrenrath ging tatsächlich noch einmal zurück. Er blieb nicht lange. Als er sich dann neben sie setzte, sagte er: «Ihr Mann wird darauf achten.»
    Sie fühlte sich losgelöst von allem, abgehoben, ein wenig isoliert und betäubt von dem Triumph – wie hinausgeschwommen und untergetaucht. Es war ein sehr gutes Gefühl. Leider war es auf den Bauch und die

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