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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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keine eigene Meinung hatte. Dem man erzählen konnte, die Narben in den Armbeugen seien Spuren einer bösen Entzündung, was im Prinzip auch stimmte. Und die Narbe an der Stirn, da sei man vor ein Auto gelaufen. Margret verstand das alles sehr gut.
    Nur musste sie das dem Chef nicht erzählen. Er hätte doch augenblicklich wissen wollen, wer Margret war, und hätte sie auch auf die Liste der Leute gesetzt, mit denen er unbedingt reden musste. Und dass auch noch Margret in diese Sache hineingezogen wurde, ging entschieden zu weit.
    Margret war Vaters jüngere Schwester. Im Vergleich mit Mutter war Margret immer eine junge Frau gewesen. Jung und hübsch und modern, mit revolutionären Ansichten über das Leben und Verständnis für alle Schwächen und Fehler, die ein Mensch haben und begehen konnte.
    Als Gereon in ihrem Leben auftauchte, lebte sie seit einem Jahr bei Margret in Köln, in einer kleinen Altbauwohnung. Zwei Zimmer, eine winzige Küche, das Duschbad so schmal wie ein Handtuch. Wenn man sich auf die Toilette setzte, stieß man sich an der Tür die Knie. Sie schlief auf der Couch, mehr hatte Margret ihr nicht bieten können. Das Schlafzimmer war zu klein für ein zweites Bett.
    Sie wollte auch kein Bett. Ein zweites Bett in unmittelbarer Nähe hätte sie nicht ertragen. Manchmal fragte sie sich, was aus ihr geworden wäre, wenn Margret sie nicht aufgenommen hätte, als sie es daheim nicht mehr ertrug. Darauf gab es nur eine Antwort: Dann wäre sie tot. Und eigentlich lebte sie doch gerne.
    Und bei Margret lernte sie es endlich. Margret beschaffte ihr die Arbeit in dem Café an der Herzogstraße. Und als Gereon auftauchte, nicht lockerließ, sie wieder und wieder um ein Rendezvous bat, sagte Margret: «Du kannst doch mal mit ihm ausgehen, Cora. Du bist eine junge Frau. Es ist normal, wenn du dich in einen jungen Mann verliebst.»
    «Ich weiß nicht, ob ich verliebt in ihn bin. Er erinnert mich nur an jemanden, in den ich einmal sehr verliebt war. Alle nannten ihn Johnny. Wie er mit richtigem Namen hieß, habe ich nie erfahren. Er sah aus wie der Erzengel aus Mutters Bibel, der die Menschen aus dem Paradies vertreibt. Kennst dudie Stelle? ‹Und ihnen gingen die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren!› So sah Johnny aus. Gereon sieht ihm ein bisschen ähnlich. Aber es ist nur äußerlich, die Haarfarbe und so. Gereon ist ein lieber Kerl, er kommt aus ordentlichen Verhältnissen. Von seinen Eltern hat er mir schon erzählt. Und eines Tages wird er mich fragen   …»
    «Quatsch», sagte Margret. «Lass ihn fragen, wir erzählen ihm schon etwas. Du sagst doch, er hat nicht viel Grips. Und du bist nicht verpflichtet, ihm deine Lebensgeschichte aufzutischen. Er wird dich auch bestimmt nicht gleich nach deiner Familie fragen. Junge Männer haben meistens etwas anderes im Sinn. Wenn er fragt, sagst du, du hast es zu Hause nicht mehr ausgehalten. Sag ihm, deine Mutter sei nicht richtig im Kopf, aber es sei nicht erblich. Das entspricht den Tatsachen.»
    «Und wenn er mit mir schlafen will?» Es war nur ein Murmeln, gar nicht an Margret gerichtet.
    Verstanden hatte es Margret trotzdem, schaute sie an, aufmerksam, so voller Verständnis und Mitgefühl. «Meinst du, du kannst nicht?»
    Natürlich konnte sie. Darum ging es nicht. Sie fragte sich oft, wie es wohl wäre mit einem netten jungen Mann. Aber es wäre Betrug gewesen. Da sie nicht antwortete, erklärte Margret in dem für sie typischen bestimmten Ton: «Cora, das ist überhaupt kein Problem. Wenn dir nicht danach ist, sagst du einfach nein.»
    So einfach, wie Margret sich das dachte, war es nicht. Man durfte nicht immer nein sagen, wenn man einen Mann halten wollte. Und das wollte sie. Er gefiel ihr. Da war einmal die Ähnlichkeit mit Johnny. Das Äußerliche. Dann war er auch sehr zärtlich und sanft. Die ersten Abende in seinem Wagen waren wundervoll.
    Zweimal in der Woche holte er sie abends vom Café ab, fuhr an ein einsames Plätzchen und nahm sie in die Arme. Meist war es zu kalt, um die Jacke, geschweige denn etwas anderesauszuziehen. Aber Gereon bedrängte sie nicht, begnügte sich bis weit ins Frühjahr mit Küssen und Streicheln. Dann erst wollte er mehr.
    Sie hätte es gerne noch ein wenig hinausgezögert. Aber die Furcht, ihn zu verlieren, wenn sie ihn abwies, war stärker als die Angst, er könne anschließend enttäuscht sein. Das war er auch nicht. Er fühlte sich nicht betrogen oder hereingelegt, sagte nur: «Jungfrau warst du aber

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