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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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viel von ihm. Er erzählte nicht gerne, nur ab und zu ein bisschen. Dass er mit zwei Freunden eine Band gegründet hatte, dass sie in einem Keller probten. Der Dicke gehörte dazu. Johnny sagte, sein Freund sei ein Ass am Keyboard. Er selbst spielte Schlagzeug und der dritte die Bassgitarre.
    Im August fragte er mich, ob ich Lust hätte, mir ihre Musik einmal anzuhören. Lust hatte ich. Aber ich wollte nicht mit dem Dicken in einem Keller sitzen, wo ich nicht die Möglichkeit gehabt hätte wegzugehen, wenn er mich belästigte. Johnny lachte mich aus. ‹Ich bin doch dabei. Er wird dich nicht einmal schief von der Seite ansehen.›
    Am darauf folgenden Wochenende brachte er ihn noch einmal mit. Da benahm der Dicke sich manierlich, und ich willigte ein, mit ihnen zu fahren. Es wurde ein toller Abend. Sie spielten ein neues Lied, es hieß ‹Song of Tiger›. Johnny sagte, das sei jetzt mein Lied. Er hätte es für mich gemacht.
    Nach einer Stunde hörten sie auf zu spielen. Die beiden anderen gingen hinaus und kamen nicht zurück. Johnny gab mir etwas zu trinken und schaltete die Stereoanlage ein. Es gab ein paar Tonbänder mit Aufnahmen, die sie selbst bespielt hatten. Wir tanzten, tranken noch ein paar Gläser, setzten uns auf die Couch. Und da ist es eben passiert.
    Ich will nicht behaupten, er hätte mich vergewaltigt. Es war sehr schön. Und ich wollte es auch. Ich war ein bisschen betrunken und hatte nur Angst, dass ich schwanger werde. Ich hatte noch nie ein Verhütungsmittel genommen.
    Johnny sagte: ‹Mach dir keine Sorgen. Ich passe auf.› Darauf habe ich mich verlassen. Und dann bekam ich meine Periode nicht. Ich bin fast gestorben vor Angst. Johnny gab mir Geld. Ich sollte mir einen Test aus der Apotheke holen. Er sagte: ‹Wenn der Test positiv ist, heiraten wir eben.›
    Er war positiv. Als ich ihm das sagte   … Er tat, als freue er sich riesig, riss mich an sich und jubelte. ‹Ich werde Vater. Meine Eltern werden Augen machen. Morgen stelle ich dich ihnen vor. Lass dir etwas einfallen, damit deine Mutter dir Ausgang gibt. Und sag ihr auch, es wird ziemlich spät werden. Wir treffen uns um zwei hier auf dem Parkplatz. Wenn es eine halbe Stunde später werden sollte, lauf nicht heim. Warte auf mich.›
    Das habe ich getan, bis abends um sieben. Er kam nicht. Ich habe ihn nie wieder gesehen. Was ich tun konnte, um ihn ausfindig zu machen, habe ich getan, viel war das nicht. Ich kannte seinen richtigen Namen nicht und wusste nicht, wo er wohnte.
    Das Einzige, woran ich mich erinnerte, war, dass wir an dem Abend auf der Autobahn Richtung Hamburg gefahren waren. Aber wir hatten hinten im Wagen gesessen, er hatte mich abgelenkt. Ich wusste nicht einmal, ob wir im Haus seiner Eltern oder bei einem seiner Freunde gewesen waren. Wochenlang fuhr ich herum und suchte. Ich dachte, mir fiele die eine oder andere Einzelheit ein, wenn ich unterwegs bin.
    Jeden Abend, wenn Vater von der Arbeit kam, ließ er den Wagen am Buenser Weg stehen, damit Mutter nichts merkte. Meinem Vater erzählte ich, dass ich üben müsse, damit ich das Fahren nicht wieder verlernte. Er verstand das.
    Über die Schwangerschaft konnte ich nicht mit ihm reden. Es war auch sonst niemand da. Irgendwann begriff ich, dass meine Suche aussichtslos war. Ein paar Wochen habe ich noch gewartet, dass Johnny sich bei mir meldet. Er kannte meinen Namen und meine Adresse. Ich mochte nicht glauben, dass ein Mensch so schlecht sein kann. Aber die Mädchen, mit denen er vor mir zusammen gewesen war, sagten alle: ‹Hast du dir wirklich eingebildet, dass der es ernst meint?›
    Ende Oktober bemerkte ich, dass mein Bauch dickerwurde. Und meiner Mutter war aufgefallen, dass mir häufig übel war. Sie verlangte, dass ich mich von einem Arzt untersuchen ließ. Da bin ich von zu Hause weg, per Anhalter. Und dann habe ich versucht, mich umzubringen. Ich habe mich vor ein Auto geworfen. Dabei verlor ich das Baby. Es war ein Mädchen, das konnte man schon sehen. Mir selbst war nicht viel passiert, nur ein paar Schrammen im Gesicht und eben die Fehlgeburt.
    Ich musste wieder heim. Aber meine Mutter wollte mich nicht mehr im Haus haben. Dass ich zu sterben versucht und dabei mein Baby getötet hatte, sei die schwerste Sünde, die ein Mensch begehen könne, sagte sie und warf mich hinaus.
    Ich fuhr nach Köln und fand Arbeit dort. Ein Jahr später lernte ich meinen Mann kennen, wir heirateten. Aber ich habe die Sache nie überwunden. Meine Mutter hat doch Recht. Ich

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