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Die Sünderinnen (German Edition)

Die Sünderinnen (German Edition)

Titel: Die Sünderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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umständlich die Verpackung auf. Während die obersten zwei Bonbons auf den Gehsteig kullerten, genehmigte sich ein zweiter Kunde einen Schluck aus der Bierflasche, die er soeben erstanden hatte. Missmutig hob Pielkötter die Pfefferminz auf. Der Mann beobachtete ihn. Plötzlich krachte die Rechte des Biertrinkers auf seine Schulter.
    »Nimm`s nich so schwer, Kumpel«, sagte er. »Beim nächsten Mal gewinnen die wieder. Dat spür ich im dicken Zeh.«
    Irritiert schaute Pielkötter dem freundlichen Mann ins Gesicht. An die vertraute Art offenkundig fremder Menschen, die es Pielkötters Wissens nur im Ruhrgebiet gab, hatte er sich immer noch nicht richtig gewöhnt. Irgendwie hatte er dem entwaffnenden Lächeln nichts entgegenzusetzen.
    »Die steigen nicht ab«, bekräftigte der Mann noch einmal das Gespür seines dicken Zehs.
    »Okay«, brummte Pielkötter, obwohl er keine Ahnung hatte, worum es ging.
    Wahrscheinlich hatte der MSV heute ein Spiel verloren, aber von Fußball verstand er nicht viel. Trotzdem besserte sich seine Laune. Langsam schlenderte er die sanierungsbedürftige Straße im Duisburger Stadtteil Hochfeld entlang. Zwischendurch verlangsamte er immer wieder seinen Schritt. Unentschlossen blieb er dann vor einem Mehrfamilienhaus stehen. Im Gegensatz zu seiner Umgebung machte es einen ganz passablen Eindruck. Pielkötter suchte die Vorderfront nach irgendeinem Hinweis ab, den er selbst nicht genau definieren konnte. Im Untergeschoss brannte nur in einem Raum Licht. In der ersten Etage dagegen war die gesamte Fensterfront auf der linken Seite hell erleuchtet.
    Ich hätte meinen Besuch doch besser anmelden sollen, dachte Pielkötter. Vielleicht war Jan Hendrik nicht einmal zu Hause oder er hatte Besuch. Oder sein Freund war allein zu Hause. Bei diesem Gedanken krampfte sich sein Magen unwillkürlich zusammen. Es war wirklich eine Schnapsidee, einfach hierherzukommen, nur weil er gerade in der Gegend zu tun hatte. Fairerweise musste sich Pielkötter eingestehen, dass der wahre Grund für den Besuch eher in den anhaltenden Spannungen zwischen ihm und Marianne lag. Seine Frau konnte einfach nicht darüber hinwegsehen, dass zwischen Vater und Sohn absolute Funkstille herrschte. Nun stand er für alle Familienmitglieder unerwartet vor der Tür seines Sohnes.
    Entschlossen legte er die wenigen Meter bis zum Hauseingang zurück. Weil er direkt unter Pielkötter den Namen Lorenz entdeckte, zögerte er noch einmal, doch dann drückte er energisch den Klingelknopf. Als der Summer ertönte, gab es kein Zurück mehr. Während er die Stufen in die erste Etage hinaufstieg, fühlte er sich wie bei einem gefährlichen Einsatz, dessen Ausgang er schlecht abschätzen konnte. Von der letzten Stufe aus schielte er in Richtung Wohnungstür und traute kaum seinen Augen. Im Rahmen stand eine hübsche, junge Frau mit langen blonden Haaren und unübersehbaren Rundungen. Er schätzte sie etwas jünger ein als seinen Sohn. Überrascht hielt er inne. Hatte ihm Jan Hendrik etwa etwas vorgemacht, nur um ihn zu ärgern? Nein, mit solch grundlegenden Werten spaßte er dann doch nicht, auch wenn Jan Hendrik ihn manchmal nur zu gern schockiert hatte.
    »Kommen Sie, die Fete ist schon so gut wie vorbei«, riss die Frau ihn aus seinen Gedanken. »Die ersten Gäste sind bereits gegangen.«
    Unschlüssig starrte Pielkötter sie an, doch dann nickte er und folgte ihr in die Wohnung. In der Diele hingen mehrere Fotografien von spärlich bekleideten Männern. Augenblicklich schwanden Pielkötters Hoffnungen auf eine wohlproportionierte Schwiegertochter und wenigstens einen Enkelsohn, mit dem er später Eisenbahn spielen könnte.
    »Ich bin Jan Hendriks Vater«, fand er endlich seine Sprache wieder, während die Frau ihn durch eine Küche in chaotischem Zustand führte.
    »Da wird sich Janik aber freuen«, erwiderte sie lachend und stieß die Tür zu einem Wohnraum auf.
    Entsetzt starrte Pielkötter auf das Sofa an der gegenüberliegenden Wand. Dort saß sein Sohn, seine Hand lag lässig auf dem Oberschenkel seines Sitznachbarn, der ihn anstrahlte, als sei Jan Hendrik sein persönlicher Glücksbote. Plötzlich wandte Jan Hendrik den Kopf zur Tür. In seinem Blick spiegelten sich Pielkötters eigene Emotionen wider.
    »Wir feiern Sebastians Beförderung«, erklärte die junge Frau, ehe Vater und Sohn sich zu einer weiteren Reaktion durchringen konnten. »Er hat die Stelle als Oberarzt in der Unfallklinik Buchholz bekommen. Ich bin übrigens seine

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