Die Sünderinnen (German Edition)
meinen Sohn ganz für mich haben will?«
Als Pielkötter schwieg, sprang Garden sichtlich empört aus seinem Sessel auf und eilte zu dem großen, gardinenlosen Fenster. Während er stumm an der Scheibe hin und her lief, beobachtete ihn Pielkötter aus den Augenwinkeln.
»Geld spielt bei uns keine Rolle«, erklärte Garden plötzlich. »Und der Junge geht sowieso bald aus dem Haus. Nach dem Abitur will er in Berlin oder in Hamburg studieren.« Seine Stimme klang heiser. »Ich habe Eva Maria immer noch geliebt.«
»Wieso haben Sie sich dann scheiden lassen?«
»Die Initiative ging von ihr aus, aber ich habe ihr keine Steine in den Weg gelegt. Plötzlich wollte sie frei sein. Ich glaube, vor allem von meinen sexuellen Ansprüchen. Verstehen Sie?«
»Nein«, antwortete Pielkötter wahrheitsgemäß.
»Ich habe sexuell zu viel von ihr verlangt«, erklärte Garden. »Wir waren in dieser Beziehung sehr unterschiedlich. Wenn die Bedürfnisse zu weit auseinanderliegen, ist es schwer, einen gemeinsamen Nenner zu finden, auch wenn man sich aufrichtig liebt.«
Pielkötter waren solcherlei Erfahrungen erspart geblieben. Seit gut dreißig Jahren verkehrte er sexuell sehr gerne mit Marianne und sie mit ihm. Wenn mein Herr Sohn nicht mit einem Mann vorliebnähme und wenn es nicht auch bei uns gerade mal kriselte, könnte ich mich, im Großen und Ganzen glücklich schätzen, dachte er.
»Nach der Trennung blieben Eva Maria und ich freundschaftlich verbunden«, platzte Garden mitten in Pielkötters Gedanken. »Kein Wunder, vielleicht war das genau die Beziehung, die sie sich immer schon gewünscht hatte.« Während er redete, bewegte er sich wieder auf Pielkötter zu.
»Wie haben Sie sich denn nach der Trennung gefühlt?«
»Um ganz ehrlich zu sein, auch besser. Vorher hatte ich ständig das Gefühl, sie zu bedrängen. Nachdem ich ausgezogen war, konnte ich mich ohne schlechtes Gewissen ins Vergnügen stürzen.«
Pielkötter verzog keine Miene. Auch Garden blieb ernst, verlor sich nicht in Gedanken an seine Liebesabenteuer. Er schien wirklich um seine Exfrau zu trauern.
»Sie haben also Ihrer Exfrau das Haus überlassen«, stellte Pielkötter fest.
»Damit hatte ich keinerlei Probleme. Allein schon wegen unseres gemeinsamen Sohnes. Natürlich sollte Rüdiger die Schule nicht wechseln. Keinesfalls sollte er aus seiner gewohnten Umgebung oder gar seinem Bekanntenkreis herausgerissen werden.«
»Trotzdem finde ich Ihre Toleranz ungewöhnlich.«
Zum ersten Mal zeigten Gardens Mundwinkel den Anflug eines Lächelns. »Zum Glück kann ich mir diese Großzügigkeit leisten. Als Immobilienmakler hatte ich auch keinerlei Schwierigkeiten, eine geeignete Bleibe für mich zu finden.«
Pielkötter nickte. Er war geneigt, Garden zu glauben. »Hatte Ihre Frau eigentlich irgendwelche Feinde?«
»Nicht, dass ich wüsste. Zudem kann ich mir das wirklich nicht vorstellen. Sie war so sanftmütig. Nein, sie kann keine Feinde gehabt haben.«
»Dann habe ich vorerst keine weiteren Fragen«, sagte Pielkötter und erhob sich. »Nur mit Ihrem Sohn möchte ich noch einmal reden. Sobald er sich etwas gefangen hat, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.«
Mit erleichtertem Gesichtsausdruck begleitete Garden ihn hinaus.
»War Ihre Frau eigentlich jemals in psychologischer Behandlung?« fragte Pielkötter, bevor er die Tür erreichte.
»Wieso?« Garden wirkte irritiert.
»Keine Ahnung. Vielleicht wegen ihrer sexuellen Probleme.«
»Davon weiß ich nichts. Eine psychologische Behandlung passt auch nicht zu ihr. Und wenn, hätte sie bestimmt mit mir darüber gesprochen. Warum fragen Sie eigentlich?«
»Vielleicht hätte eine Therapie nicht schaden können«, antwortete Pielkötter ausweichend und verabschiedete sich schnell.
Im Vorraum schenkte er Gardens Anmeldedame noch einen ernsten, durchdringenden Blick, der immer gut mit Barnowskis erprobtem Lächeln kontrastierte, sofern sie beide zusammen auftraten. Während er wenig später im Aufzug nach unten fuhr, stellte er sich vor, wie diese Frau ihren Chef nach Dienstschluss verwöhnte. Vielleicht lief das auch umgekehrt. Aber irgendwas hatten die beiden miteinander, dessen war er sich sicher.
»Eine Rolle Pfefferminz«, verlangte Pielkötter.
»Nen Dreierpack oder einzeln?«, fragte der Mann, der halb aus dem Fenster seiner Bude hing.
»Genau eine Rolle«, erklärte Pielkötter genervt.
Nachdem das Pfefferminz endlich den Besitzer gewechselt hatte, trat er zur Seite und riss
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