Die Sünderinnen (German Edition)
Abendessen.«
»Hast du ihr etwa nichts von deinem Besuch hier erzählt?«
Ertappt, dachte Pielkötter noch während er den Kopf schüttelte. Dabei hatte er vorhin Grüße von Marianne bestellt. Lügen hatten tatsächlich kurze Beine. Genau dieser Tatsache jedoch verdankte er die Aufklärung so manch eines Verbrechens.
»Hat mich jedenfalls gefreut, dass du uns besucht hast«, erwiderte Jan Hendrik, ohne sich etwas von der aufgedeckten Lüge anmerken zu lassen.
Gemeinsam brachten die beiden jungen Männer ihn zur Wohnungstür.
Als Pielkötter später im Wagen saß, musste er sich eingestehen, dass sein Sohn einen selten zufriedenen Eindruck gemacht hatte. Er selbst würde noch etwas Zeit brauchen, um diesen Besuch zu verarbeiten. Während er nach Hause fuhr, schwankte er noch, ob er Marianne beim Abendessen schon davon erzählen sollte. Vielleicht war es doch besser, erst eine Nacht darüber zu schlafen.
Missmutig starrte Hauptkommissar Pielkötter auf den Notizblock, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag. In der Mitte standen rotumrandet die Namen der beiden ermordeten Frauen. Links neben Barbara Winkler hatte Pielkötter die Namen ihres Noch-Ehemanns Berthold sowie ihres Geliebten Frederik Bodenthal notiert. Zweifellos hätten sie zu den Hauptverdächtigen gehört, sofern das zweite Opfer dem nicht widersprochen hätte. Rechts neben Eva Maria Garden befanden sich die Namen von Exmann und Sohn, Dominik und Rüdiger.
In einem äußeren Kreis hatte Pielkötter alle möglichen Personen notiert, die in irgendeiner Beziehung zu den Opfern gestanden hatten. Mark Milton, den Psychologen des ersten Opfers, hatte er farbig markiert. Er wusste selbst nicht genau warum. Trotzdem konnte es nicht schaden, dieser Intuition nachzugehen und weitere Erkundigungen über Milton einzuziehen. Als Erstes schwebte ihm eine kleine Unterredung mit seiner Ehefrau vor. Das könnte Barnowski übernehmen.
Mit einem Seufzer erhob sich Pielkötter. Er lief zu einer Anrichte, auf der eine Thermoskanne stand, und schenkte sich die vierte Tasse Kaffee nach. Mit dem dampfenden Gebräu Marke »Hallo Wach« kehrte er an seinen Schreibtisch zurück und starrte erneut auf den Notizblock mit den Namen. So sehr er sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht, einen Zusammenhang zwischen den Opfern zu finden, der vielleicht sogar auf einen möglichen Täter schließen ließ. Anscheinend hatten sich die beiden ermordeten Frauen weder gekannt, noch existierte ein Berührungspunkt. Dennoch musste es einen geben, sicher hatte er ihn bisher nur übersehen. Schließlich hatte der Mörder die beiden Frauen nicht einfach wahllos umgebracht. Die Art und Weise, wie sie ermordet worden waren, sprach einfach eine zu deutliche Sprache. Zudem lebten sie in ähnlichen Situationen. Das war aber auch schon alles und brachte Pielkötter an den Rand der Verzweiflung.
Er hasste es, seit Wochen auf der Stelle zu treten. Alle verfolgten Spuren waren bisher buchstäblich im Sande verlaufen. Dabei saßen ihm die Staatsanwaltschaft, seine Vorgesetzten und nicht zuletzt die Presse im Nacken. Zumal die ermordeten Frauen aus gehobenen Kreisen stammten und nicht aus dem Rotlichtmilieu.
Zum Glück hatte sich wenigstens sein Familienleben positiv entwickelt. Marianne hatte ihn seit Langem wieder mit diesem zärtlichen Blick bedacht und mit allen Annehmlichkeiten, die er eine Zeitlang vermisst hatte. Seit er Jan Hendrik besucht hatte, erschien sie ihm wie verwandelt. Jetzt musste er nur endlich diesen Fall aufklären, um die Entwicklung im privaten Bereich richtig genießen zu können. Entschlossen riss er den Hörer vom Telefon und wählte Barnowskis Nummer. Ehe er jedoch etwas in den Apparat brüllen konnte, fiel ihm ein, dass Barnowski für heute Sonderurlaub beantragt hatte. Er war Trauzeuge bei der Hochzeit seiner Schwester. Als Pielkötter sich Barnowski lächelnd und mit einem Glas Sekt bewaffnet vorstellte, sank seine Laune noch weiter gegen seinen persönlichen absoluten Nullpunkt.
Fahrstuhl defekt, auch das noch. Mark atmete dreimal tief durch und stiefelte in die sechste Etage hoch. Eigentlich wollte Daniel schon seit Jahren hier ausziehen. Die kleine Wohnung in dem Hochhaus an der viel befahrenen, obendrein sehr lauten Hauptstraße sollte nur etwas für den Übergang sein. Als Elke ihn nach unzähligen Vorwarnungen ganz unerwartet vor die Tür gesetzt hatte, musste sich Daniel ohne große Bedenkzeit für eine eigene Bleibe entscheiden. Er persönlich war mit dem
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