Die Sünderinnen (German Edition)
Appartement anscheinend auch ganz zufrieden. Nur die Mädels, wie er seine diversen Bekanntschaften zu nennen pflegte, konnte er damit kaum beeindrucken. Und in sein Atelier konnte er sie auf keinen Fall mitnehmen. Es war sehr klein und ungemütlich, hatte nichts von dem Bohemien-Flair, wie er immer für billige Spielfilme herhalten musste.
»Siehst abgekämpft aus«, empfing ihn Daniel an der Tür. »Schreist förmlich nach einem Drink.«
»Einen Jagertee bitte. Als Belohnung für den mühsamen Aufstieg.«
»Schottischer Whisky tut es sicherlich auch«, erwiderte Daniel grinsend, als Mark an ihm vorbei in den kombinierten Wohnschlafraum trat.
Im Gegensatz zu dem kleinen Flur, der ungefähr die Ausmaße einer Telefonzelle besaß, war der Raum relativ groß. An den Wänden hingen unzählige Bilder, so dass man die Struktur der Tapete nur erahnen konnte. Dennoch wirkte das Zimmer mehr gemütlich als überladen.
»Ich weiß wirklich nicht, wo ich die sonst alle unterbringen soll«, erklärte Daniel, weil er Marks Blick bemerkte.
Eilig verzog er sich in die Küche mit dem enormen Ausmaß von gleich zwei Telefonzellen.
Mark sah sich unterdessen nach einer geeigneten Sitzgelegenheit um. Unschlüssig schwankte er zwischen einer kleinen, grünen Ledercouch und einem knallroten Knautschsack. Die beiden scheußlichen Sofakissen mit konservativem Knick in der Mitte gaben schließlich den Ausschlag. Der Sitz dazwischen erinnerte ihn irgendwie an die Szene »Schwiegersohn beim Antrittsbesuch«.
Als er in den Knautschsack plumpste, kehrte Daniel mit zwei ordentlich gefüllten Whiskygläsern zurück.
»Auf alle Neugierigen«, prostete er Mark zu. »Seit deiner Andeutung am Telefon platze ich vor Spannung.«
»Durchaus berechtigt«, stöhnte Mark. »Ich glaube, Susanne will mich verlassen.«
»Wieso?«, fragte Daniel, wobei er nicht gerade den intelligentesten Gesichtsausdruck aufsetzte.
»Leider weiß ich das nicht.«
»Heißt das, ihr habt noch nicht darüber gesprochen?«
»Sie weicht einem Gespräch immer wieder aus«, erklärte Mark. »Angeblich muss sie erst mit sich selbst ins Reine kommen.« Dass ihn die Situation schmerzlich an Lea erinnerte, verschwieg er.
»Auch wenn das jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist, aber ich habe es dir immer gesagt. Susanne, dieses verwöhnte Püppchen, ist nicht der richtige Umgang für dich. Obendrein musstest du die auch noch direkt heiraten. Als ob es keine andern Frauen auf dieser Welt gäbe.«
Zerknirscht stürzte Mark die Hälfte seines Whiskys hinunter. Er hätte nicht herkommen dürfen. Daniel würde ihm den Abend zusätzlich mit Vorwürfen vermiesen. Dabei traf er leider mitten ins Schwarze. Er hätte Susanne wirklich nicht heiraten dürfen, jedenfalls nicht so schnell. Eigentlich hatte es dafür nur einen Grund gegeben. Irgendwie wollte er sich mit einer neuen Ehe beweisen, dass er Leas unnatürlichen Tod und die zahllosen Verhöre verarbeitet hatte.
»Tut mir leid«, brummte Daniel. »Ist wohl nicht der beste Zeitpunkt für eine Grundsatzdiskussion über den Unsinn dauerhafter Beziehungen.«
»Schon gut.« Unmöglich, Daniel in seine geheimen Gedanken einzuweihen, über dieses grauenvolle Ereignis aus seiner Vergangenheit.
»Vielleicht hast du ja Recht und Susanne passt wirklich nicht zu mir. Warum haben wir das nur nicht früher erkannt?«
»Manchmal bist du wirklich naiv, jedenfalls was den Beginn einer Beziehung betrifft«, stöhnte Daniel und goss neuen Whisky nach. »Hast null Ahnung vom Karussell der Hormone. Die achten nur auf die richtigen Proportionen, und genau die stimmen bei Susanne. Selbst nach der Geburt eurer Kinder.«
»Aber gerade wegen der Kinder haben wir doch die Pflicht, uns zusammenzureißen. Es gibt sogar funktionierende Ehen, in denen die Partner aus ganz anderen Kulturkreisen stammen.«
»Und jetzt fragst du, warum es bei euch nicht klappt, trotz der Gemeinsamkeiten. Beide katholisch, keine Kirchgänger, beide ohne Ambitionen für Bobrennen und Schanzenturnier.«
Mark war nicht nach Witzen zu Mute. Das Beste, was Daniel ihm heute zu bieten hatte, war der exzellente Whisky. Missmutig starrte er in die bernsteinfarbene Flüssigkeit, dann stürzte er das halbe Glas Whisky auf einmal hinunter.
»Jetzt lege ich erst einmal eine gute Scheibe auf«, schlug Daniel vor. Anscheinend hatte er bemerkt, dass er etwas zu weit gegangen war.
Während Daniel sich seiner CD-Sammlung zuwandte, starrte Mark nachdenklich in das leere Glas. Erst als
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