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Die Sünderinnen (German Edition)

Die Sünderinnen (German Edition)

Titel: Die Sünderinnen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irene Scharenberg
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identifizieren. Vielleicht war die Herausgabe der Karte genauso ein Fehler gewesen wie das Öffnen der Brieftasche vor ihren Augen. Leider konnte er beides nicht mehr ungeschehen machen. Jetzt musste er versuchen, das Risiko zu minimieren, indem er möglichst schnell handelte.
    »Oh, Sie sind Scheidungsanwalt«, sagte sie erstaunt. »Sicher ein interessanter Beruf.«
    »Leider auch ein trauriger«, entgegnete er mit ernster Miene. »Hinter jeder Scheidung steckt ein tragisches Schicksal, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich, aber manchmal ist es wohl die bessere Alternative. Ich meine, wenn man sich auseinandergelebt hat.«
    Als die Bedienung Kaffee und Kuchen servierte, unterbrachen sie kurz das Gespräch.
    »Aber haben nicht alle Paare geschworen zusammenzubleiben, bis der Tod sie scheidet«, fuhr er fort, während sie den Kuchen probierte.
    »Zumindest die kirchlich Getrauten«, entgegnete sie nach einem ersten Schluck Kaffee.
    »Haben Sie denn nicht kirchlich geheiratet?«
    »Doch, schon. Aber heutzutage machen das nicht mehr alle.«
    Heutzutage, allein dieses Wort löste extreme Verärgerung in ihm aus, die er jedoch auf keinen Fall zeigen durfte. Schließlich wollte er ihr Vertrauen gewinnen, und das möglichst schnell. Hastig trank er nun von dem Kaffee, als könnte er damit den Ärger hinunterspülen. »Könnten Sie sich eine Scheidung für sich persönlich vorstellen?«, fragte er nun ganz gezielt.
    Gedankenverloren starrte sie aus dem Fenster auf die vorbeieilenden Menschen auf der Königstraße. Er sah ihren Kopf nur im Profil, doch selbst aus dieser seitlichen Position konnte er aus ihrer Miene eine gewisse Betroffenheit ablesen.
    »Da haben Sie wohl meinen wunden Punkt getroffen«, erklärte sie, als sie sich ihm nach einer Weile des Schweigens wieder zuwandte.
    »Falls ich Sie recht verstehe, steht Ihre Ehe kurz vor dem Scheitern.«
    »Nun, wenn Sie es denn so nennen wollen. Ich finde für diesen Zustand einfach noch nicht die richtigen Worte. Manchmal hege ich trotz allem zaghafte Hoffnung, aber eigentlich ist es vorbei. Ich habe nur noch nicht den Mut gefunden, klare Verhältnisse zu schaffen. – Aber was schütte ich Sie mit meinen Problemen zu?«
    Ärgerlich stieß sie ihre Gabel in den Apfelkuchen. Während sie das Stück in sich hineinschaufelte, als hätte sie seit langer Zeit nichts mehr gegessen, beobachtete er sie diskret. Die Phasen ihrer häuslichen Abwesenheit hatte er also richtig gedeutet. Eigentlich sollte er darüber eine gewisse Genugtuung verspüren, aber er hatte doch etwas anderes erhofft. Nun hatte die Frau mit ihrem Bekenntnis ihr eigenes Todesurteil gesprochen, und er musste sich nur noch Gedanken über den Zeitpunkt der Vollstreckung machen. Je eher, desto besser. Er jedenfalls war bereit.
    »Falls Sie Beratung wünschen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung«, erklärte er mit einschmeichelnder Stimme. »Selbstverständlich kostenlos.« Mitleidig sah er ihr in die Augen.
    »Das Angebot ist wirklich sehr nett von Ihnen«, erwiderte sie. »Vielleicht bin ich jedoch noch nicht soweit. Irgendwie schrecke ich noch davor zurück, mit meinem Mann zu reden. Natürlich hat der jede Menge Fehler gemacht, ich ja auch, aber er hat sich nichts Großartiges zuschulden kommen lassen. Nichts, was diesen Schritt unbedingt rechtfertigen würde. Er hat mich nie geschlagen, auch nicht die Kinder. Er ist nicht einmal fremdgegangen.«
    »Trotzdem wollen Sie ihn verlassen?«
    »Wir leben einfach in einer anderen Welt.« Nervös nippte sie an der Kaffeetasse und schaute auf ihre Uhr.
    Nun musste er heucheln, aber es ging schließlich um ein höheres Interesse. »Ja, dann ist eine Scheidung vielleicht wirklich das Beste. Wenn Sie wollen, kommen Sie mit in meine Kanzlei, wir können da in aller Ruhe über die Möglichkeiten sprechen, die Sie jetzt haben. Zudem habe ich dort viel Informationsmaterial.«
    Unentschlossen spielte sie mit der Kuchengabel, zerdrückte imaginäre Krümel und schob sie auf dem Teller herum. Dann schaute sie erneut auf die Uhr »Wirklich nett von Ihnen, aber heute passt es nicht«, erklärte sie plötzlich mit entschlossener Miene. »Ich muss meinen Sohn gleich vom Kindergarten abholen.«
    Es bereitete ihm große Mühe, sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
    »Ein anderes Mal komme ich gern auf Ihr Angebot zurück«, fügte sie hinzu. »Ich rufe Sie an. Ihre Telefonnummer steht ja auf der Visitenkarte. Ich werde Sie sowieso anrufen, sobald ich weiß, was die Stoßstange

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