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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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in seinem Haus in Kitzbühel gewesen und hatte sich beim Schifahren einen Sonnenbrand auf Stirn und Nase geholt. Er sagte nichts zum Thema Erschwerniszulage auf I 23, sondern sprach während der Morgenbesprechung ausschließlich über Melitta Steinböck, die Frau des Bürgermeisters, die im Lauf des Vormittags wegen unklarer Atemnot zur Aufnahme kommen würde. Prinz, der Oberarzt der Chefstation, machte dazu einige schweinische Bemerkungen, die Ausdruck des chronischen Konfliktes um die Verteilung der Sonderklassegebühren zwischen ihm und Leithner waren und längst niemanden mehr interessierten. Lili Brunner gähnte mehrmals laut und Inge Broschek war leicht misslaunig wie an Montagen meistens.
    In der Ambulanz war trotz des Wochenbeginns nicht allzu viel los. Den größten Teil der Wartenden machten jene Leute aus, die zu Cejpek zur Gerinnungskontrolle kamen. Horn sah Marianne Schwarz unter ihnen, die Frau seines Nachbarn Martin. Sie hatte vor kurzem eine ausgedehnte Beinvenenthrombose und als Folge mehrere Lungeninfarkte erlitten und war auf ein blutverdünnendes Medikament eingestellt worden. Der übliche Mechanismus: Pille plus Zigaretten plus Übergewicht. Die beiden hatten auch im Nachhinein nicht begriffen, wie schlecht die Sache ausgehen hätte können.
    Horn selbst hatte zwei Patienten zur Kontrolle bestellt, einen älteren Mann, der im Rahmen einer Alzheimer-Demenz begonnen hatte, in seinem Garten fremde Menschen zu sehen, und Elena Weitbrecht, die Leiterin eines Supermarktes, die seit längerem unter komplexen motorischen Ticks litt. Sie hatte sich knapp vor Weihnachten für eine medikamentöse Behandlung und vorerst einmal gegen die Psychotherapie entschieden. Beiden ging es gut; der Mann erzählte, abgesehen von einer jungen Frau mit Brille seien die Leute in seinem Garten verschwunden, und Elena Weitbrecht hatte als einzige Nebenwirkung der Tabletten eine Verringerung ihres Appetites beobachtet, und das sei ihr mehr als nur recht. Außerdem habe sie das Gefühl, das Zwinkern und Schulternhochziehen sei bereits ein bisschen weniger geworden. Horn hatte dieses Gefühl nicht.
    Linda war auf Urlaub und Ingeborg, ihre Vertretung, war eine klapperdürre humorlose Person mit grauem Bürstenhaarschnitt, von der es hieß, sie habe früher als Pfarrhaushälterin gearbeitet. Jeder konnte sich das vorstellen und keiner traute sich zu fragen, ob es die Wahrheit war. Als Horn sich verabschiedete, um auf seine Konsiliarrunde durch die Stationen zu gehen, drückte sie ihm ein hellblaues Kuvert in die Hand. »Das ist für Sie abgegeben worden«, sagte sie. Drin war eine Karte mit der Abbildung eines Mondrian-Gemäldes, hintendrauf einige Sätze: ›Ich habe versucht, vorzeitig abzureisen. Es geht nicht. Ich stelle mir vor, in Wien werde ich genauso schlecht schlafen wie hier, aber es wird mir weniger ausmachen. Ich hoffe, die Musik gefällt Ihnen. H.‹ Heidemarie. Er konnte sich an das Päckchen erinnern, dunkelblau mit kleinen bunten Sternen drauf. Er musste es zu Hause aus der Jackentasche genommen und irgendwohin gelegt haben. Dvorˇák, dachte er, oder Tschaikowsky, etwas Slawisches jedenfalls. Musik, die schlecht ausgeht. Wie das Leben. Das Leben geht immer schlecht aus. Als Psychiater bin ich in Wahrheit mit nichts anderem beschäftigt als damit, den Menschen vorzumachen, dass es nicht so ist. Ich bin ein Gaukler, dachte er. Dass das Leben immer schlecht ausgeht, ist Grund genug, verrückt zu werden oder sich aufzuschneiden oder sich Heroin in die Venen zu hauen, aber das darfst du nicht laut sagen. »Wissen Sie, was manchmal schwierig ist?«, fragte er Ingeborg. Sie schaute ihn ratlos an. »Den Zyniker, der man ist, nicht allzu sehr herauszukehren.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wie Sie meinen«, sagte sie.
    Die junge Mutter auf der Geburtshilfe, die zuletzt in Richtung Depression zu gehen schien, saß neben dem Bett, stillte ihren Sohn und beklagte sich wortreich darüber, dass sich sein Vater seit dem Vortag nicht hatte blicken lassen. Horn sagte, dass sich junge Väter manchmal durch ihre neugeborenen Kinder sehr gefährdet fühlten, und hatte in der Sekunde den Eindruck, dass es nicht das war, was die Frau hören wollte. Sie sprach über die chronische Unzuverlässigkeit ihres Freundes und über seine Neigung, bei Spannungen jeglicher Art ins Auto zu steigen und wegzufahren, und Horn wurde von Satz zu Satz sicherer, dass die Gefahr einer depressiven Entwicklung endgültig vorüber war. Im Hinausgehen

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