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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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Tage angesagt war, zeigte sich noch nicht. Ludwig Kovacs hatte den Geschmack von Pastinaken und Petersilienwurzeln im Mund. Er dachte erst an Marlene und daran, wie gern er es hatte, wenn sie kochte, dann an Demski, von dem er immer noch so wenig wusste. Schließlich dachte er an Sechzehnjährige, die grinsten und anderen die Arme brachen, und an Männer, die Kinder gegen Eisenstangen schlugen.

Sechzehn
    Meine Hand fühlt sich komisch an, außen wie ein Eisklumpen und innen drin wie Feuer, das sich ausdehnt und wieder zusammenzieht. Ich weiß, wenn ich lange genug hier in der Kälte stehe, nur mit dem Umhang und meinen Gedanken, wird alles wieder normal werden, und wenn dieser alte Mann mit der durchschnittenen Kehle und dem zermantschten Kopf tief in der Erde liegt und das Loch zugeschüttet ist, wird alles vorüber sein. Ich stelle mir vor, wie ich in meinem Sternenjäger sitze und hoch über Hoth, dem Eisplaneten, dahinfliege und wie tief unter mir eine Herde Tauntauns über die endlose Schneewüste einhergaloppiert, vielleicht auf der Flucht vor einem Wampa, diesem riesigen Raubtier, vielleicht auch einfach so. Mir kann nichts passieren und es tut mir auch nichts mehr weh, denn ich habe längst eine Mechno-Hand wie Anakin Skywalker.
    Begonnen hat alles damit, dass Vater gleich am Morgen durchs Haus gegangen ist, fünfmal, zehnmal, fünfzehnmal, denn er hat vergessen gehabt, einige Dinge in die Steuer zu nehmen, die Bodenversiegelung in der Servicehalle zum Beispiel oder das neue Sektionaltor an der Garage. Daniel ist vor dem Mikrowellenherd gestanden und hat gesagt: Davon stürzt die Welt nicht ein, und Vater hat nur eine kleine Handbewegung gemacht: Ab ins Büro.
    Als Daniel zurückkommt, sieht man noch nicht so viel, nur die leicht aufgeplatzte Unterlippe und den nach rechts verdrehten Gang. Hätte er den grauen Kapuzenpulli bereits übergezogen, würde man an seinem Gesicht gar nichts bemerken. Er nimmt einen Zettel vom Notizblock neben dem Telefon, schreibt etwas drauf und steckt ihn mir zu: Gerstmanns Katze.
    Er geht hinaus, nach rechts verdreht, und wendet sich nicht um und mir ist augenblicklich klar: Das funktioniert nicht. Dass Gerstmann ein aufgeblasener Platzwart ist mit einer aufgeblasenen Platzwartfrau und drei aufgeblasenen Platzwartkindern, ist keine Frage, und dass er das Ganze verdient, auch nicht, aber leider ändert das nichts daran, dass sie alle in Nord in einer dieser Anlagen wohnen, im fünften oder sechsten Stock, nur mit Balkon, weit weg von einem Garten. Die Schildpattangorakatze, von der er immer wieder spricht, als wäre sie sein viertes Kind, und die anscheinend genau so ist, wie man sich Gerstmanns Katze vorstellt, nämlich eine arrogante, aufgeblasene Platzwartkatze, hält sich daher ausschließlich in der Wohnung auf und kein Mensch kommt auch nur in die Nähe ihres Halses, geschweige denn mit einem Messer.
    Als ich in Daniels Zimmer trete und es ihm sage, knallt er mir eine und noch eine, was in Ordnung ist, denn schließlich habe ich nein gesagt und er ist eigentlich schon der Imperator, weil er sich gerade den grauen Pulli über den Kopf streift. Sein Gesicht sieht jetzt aus, als habe er einen argen Allergieanfall, mit Augen zugeschwollen und knallrot und alles, aber dann ist es auch schon im Schatten der Kapuze verschwunden. Er sagt, das mit der Katze macht nichts und das hässliche Angoratier wird schon einmal in unsere Gasse kommen und dann wird Gerstmann schauen mit seinem dummen Gesicht. Ich bin froh und sage: Ja, dann wird er schauen, und, weil es mir einfach so einfällt: Einen Hund, ich werde als nächstes einen Hund nehmen. Er ist zufrieden und sagt, als Belohnung wird er mir etwas von drinnen erzählen oder eventuell sogar zeigen. Sofern ich es verdient habe.
    Der Kühlschrank ist leer. Zu Neujahr werden die übrig gebliebenen Sachen immer ausgemustert. Lore muss das tun, sonst bekommt Mutter einen Anfall. Ich sehe nur zur Sicherheit nach. Sie hätte ja etwas vergessen können. Ich werfe den schwarzen Umhang über, setze die Maske auf und lege mich aufs Bett. Ich atme und mache den richtigen Ton dazu. Ich bin Darth Vader.
    Bei Spar an der Ecke Ettrichgasse/Linzer Straße kenne ich die dünne Fleischverkäuferin mit der rot gerahmten Brille. Ich weiß, dass sie eine Tochter hat, die eine Friseurlehre macht, und dass sie einen kleinen dunkelgrünen Citroën fährt. Sie versteht sofort, als ich nach einer Wurst mit Glocke oder Stern oder Tannenbaum frage. Sie meint,

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