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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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Zielobjektes für die kranken Neigungen eines Psychopathen, sagte Demski, aber schließlich habe er sich die Suppe selbst eingebrockt. Suppe eingebrockt und Irrtum aufgesessen: alles blödes Herumgerede, dachte Kovacs – er traut es ihm zu, genau wie ich, und genau wie ich hat er es ihm in Wahrheit von Anfang an zugetraut, da hätte es der Missachtung der Bewährungsauflagen und überhaupt der ganzen Grimmschen Ergüsse nicht bedurft.
    »Wann kannst du da sein?«, fragte er. »In zwanzig Minuten«, antwortete Demski. Kovacs schaute auf die Uhr. Er war zufrieden. Sie würden anläuten und die Gasseliks würden beim Frühstück sitzen.
    Er begutachtete den roten Streifen, der sich quer über seinen Rist zog. Die Sache war objektiv halb so schlimm, trotzdem fühlte er sich elend. Manchmal wünschte man sich jemanden, der einen bedauerte, so einfach war das. Yvonne hatte das nicht so schlecht beherrscht, das musste man ihr lassen: Du Armer, hast du dir wehgetan? Soll ich dir einen Eisbeutel bringen? Brauchst du einen Schnaps?, und so weiter. Marlene war diesbezüglich viel distanzierter. Vielleicht lag aber auch alles nur am Mond.
    Kovacs kleidete sich fertig an. Der Sex mit Marlene war nicht so besonders gewesen, flott und beiläufig. Sie hatte danach lediglich mit den Schultern gezuckt, gemeint, möglicherweise liege es am Mond, und war wenige Augenblicke später eingeschlafen. Er hatte sich daraufhin aus ihrer Wohnung gestohlen und war nach Hause gefahren. Er hatte keine Lust gehabt, stundenlang neben ihr im Bett zu liegen, an die Decke zu starren und an das Beziehungsunglück seines Lebens zu denken. Er hatte sich zwei kleine Grappa genehmigt, war aufs Dach gestiegen und hatte das Rohr anfangs auf die Plejaden gerichtet. Im Schwenk über die Lichter der Stadt war ihm der Linsenfehler wieder einmal aufgefallen, der sich seit etwa einem Jahr bei größerer Kälte zeigte – eine schmale blassgelbe Sichel im rechten oberen Quadranten, die prompt verschwand, wenn das Gesichtsfeld dunkler wurde. Die Hörner des Stiers, der blasse Fleck des Krebsnebels, annähernd im Zenith Castor und Pollux. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er all diese Geschichten auswendig erzählen können, von Perseus und Andromeda, vom Fuhrmann mit dem Ziegenböcklein auf den Schultern oder darüber, wie Herakles den Nemeischen Löwen erwürgt. Sein Bruder hatte ihn dafür verlacht und seinen Eltern war es egal gewesen.
    Von der Straße war das Gebrüll streitender Jugendlicher heraufgedrungen. Unter anderem hatte er die Stimmen des Sheriffs und seiner zwölfjährigen Cousine erkannt. Daraufhin hatte er beschlossen, in die Wohnung zurückzukehren.
    »Glaubst du an den Mond?«
    Demski stand in der Tür und schaute blöd. Natürlich glaube er nicht an den ganzen lunaresoterischen Schwachsinn, antwortete er schließlich, doch andererseits könne man zum Beispiel die gezeitenerzeugende Wirkung des Mondes nicht wegleugnen, und wenn er imstande sei, das Meer an- und wieder abschwellen zu lassen, gebe es kein wirkliches Argument, weshalb er dasselbe nicht auch mit Körperflüssigkeiten oder den Säften in Pflanzen tun solle. Warum er ihm so eine eigenartige Frage stelle. »Ich hatte ein Beziehungsproblem und möglicherweise lag es am Mond – deshalb«, antwortete Kovacs. »Also doch«, sagte Demski und schaute ihn triumphierend an.
    »Also doch was?«
    »Also doch Marlene. Und Sex. Vorhin, als du ständig über Socken gesprochen hast.«
    »Ja, also doch«, log Kovacs. Er holte eine Aluminiumkanne mit frischem Espresso vom Herd. Demski nahm an. Das tat er sonst nie.
    Auf der Fahrt von der Walzwerksiedlung in Richtung Zentrum schwiegen sie eine Weile, dann fragte Demski: »Was haben wir eigentlich bis jetzt?«
    »Nichts«, sagte Kovacs, »genau genommen haben wir gar nichts.«
    Eine Schulklasse querte vom Rathausplatz in Richtung Stift, daher hielten sie an. »Du siehst die Sache zu schwarz«, sagte Demski, »wir haben ein bisschen was.«
    »Und was bitte!?«
    »Einen rechtshändigen Mörder, der sowohl rational vorgeht als auch voller Wut steckt. Einen Auffindungsort, der mit Sicherheit auch der Tatort ist. Eine eindeutige Reifenspur.«
    »Einen grünen Legostein. Ein paar Nägel. Einen Knopf. Keine Fingerabdrücke. Keine Zeichen von Gegenwehr. Ein Gesicht, das dem Blutverspritzungsmuster nach am ehesten von einem Meteoriten zerdeppert wurde.«
    Demski räusperte sich. Er hüstelt eine blöde Meteoritenbemerkung weg, dachte Kovacs. Ihm war eingefallen,

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