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Die Süße Des Lebens

Die Süße Des Lebens

Titel: Die Süße Des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulus Hochgatterer
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und Tochter, einer funkelnagelneuen Kindertrage und einer Schokoladetorte für das Stationsteam erschienen. Er verabschiedete sich von allen und bedankte sich überschwänglich. »Er hat Angst«, sagte Christiane, als die drei weg waren. »Ich hätte auch Angst«, sagte Raimund. Horn erinnerte diese Geschichte mit Liu Pjong und den Webers und dem Baby an irgendwas, er wusste jedoch nicht, woran.
    Irene und Michael kamen ihm in den Sinn, als er ins Stiegenhaus hinaustrat. Vermutlich hat sie unseren Sohn eine Zeit lang ebenfalls für eine Art Teufel gehalten, dachte er, und ich habe mich zu wenig um ihn gekümmert. Keiner von uns hat sich jemals gefragt, wovor er sich fürchtet.
    »Sie haben es auch nicht leicht«, sagte Ernst Maywald. Horn zuckte mit den Schultern. Es fiel ihm kein passender Kommentar ein. Katharina schaute zum Fenster hinaus. Das Gebrüll schien sie nicht sonderlich irritiert zu haben. Horn sah sie vor sich, wie sie genau so am Grab ihres Großvaters stand, bedeckt von freundlichen Eichhörnchen, einen winzigen Trotz im Gesicht, und er stellte sich vor, wie sie an Schwerter dachte, mit denen man sich verteidigen konnte, und an Helme mit Visier, die einem den Kopf schützten. Er erinnerte sich jetzt wieder, dass ihn Luise Maywald angerufen und gefragt hatte, ob er nicht etwas früher Zeit habe. Katharina habe ausnahmsweise nur drei Schulstunden, ihr Mann könne von der Firma kurz weg und sie zur Therapie bringen und sie selbst würde sie danach abholen. Er hatte rasch zugesagt, das wusste er noch und er glaubte sich zu erinnern, dass er es getan hatte, weil ihm die Frau auf die Nerven gegangen war. Bei Müttern passierte ihm das manchmal.
    Sie nahmen den Weg durch den Verwaltungstrakt, um hinüber auf K 1 zu gelangen. Es war die ruhigste Zone im gesamten Haus. Vor dem Eingang zur Verrechnungsstelle wartete eine ältere Frau mit einer Handtasche aus Lackleder, sonst trafen sie niemanden. Ernst Maywald wandte den Blick kaum nach links und rechts. Er machte riesige Schritte, sodass Katharina daneben ziemlich zu laufen hatte, das fiel Horn auf. Man habe ihn auf I 22 geschickt, als er nach Horn gefragt habe, entschuldigte sich der Mann, er habe nicht gewusst, dass die Psychotherapie woanders stattfinde, und seine Tochter habe ihm den richtigen Weg auch nicht erklären können. Katharina schien den Vorwurf in der Äußerung ihres Vaters in keiner Weise wahrzunehmen. Sie steuerte zielstrebig auf die Stationstür zu und drehte sich erst um, als ihr der Vater zurief, er gehe jetzt und ihre Mutter werde sie abholen. Als er ihr zuwinkte, schaute sie ihn wortlos an. Sonst tat sie nichts.
    Katharina kam ins Zimmer und steuerte schnurstracks auf das Bücherregal zu. Sie war offenbar sehr zufrieden damit, die Prinzessinnenpuppe genau so vorfinden, wie sie sie zuletzt hingelegt hatte. Sie zog sie heraus, ebenso das Heldensagenbuch, und legte die beiden Dinge mitten im Zimmer auf den Boden. Danach schlüpfte sie aus Stiefeln und Jacke, ging in Strümpfen einmal im Kreis und holte sich aus der Lade mit den Malutensilien einen mittleren Zeichenblock und die Blechschachtel mit den Ölkreiden. Sie hockte sich zwischen ihre Fersen, nahm eine Kreide aus der Schachtel, drehte das Blatt ins Hochformat und begann zu malen. Horn lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück. Die Spannung des Mädchens hatte gegenüber der letzten Sitzung sichtlich nachgelassen. Der Großvater war endlich unter der Erde, jetzt schien sie in der Lage zu sein, sich zu beruhigen. Aus dem Auge, aus dem Sinn: Die Psyche eines siebenjährigen Kindes funktionierte noch vorwiegend konkretistisch – wenigstens darauf konnte man sich verlassen. Den Täter hatte sie offensichtlich nicht gesehen, daher existierte er für sie auch nicht.
    Die erste Linie, die Katharina zog, verlief zirka drei Fingerbreit parallel zum Blattrand, alle vier Seiten entlang, die zweite einen guten Zentimeter weiter innen. Ein Rahmen, der von außen Halt gibt, dachte er, etwas, das wir uns alle wünschen. Er dachte an Ley und seine Mutter, an Joseph Bauer, der ständig durch die Gegend lief und sich sogar auf dem Friedhof seine Knöpfe in die Ohren steckte, und daran, dass die dauernden Theorieumbildungen in der Psychiatrie auch nichts anderes waren als der verzweifelte Versuch, rings um den Wahnsinn ein einigermaßen tragfähiges Gerüst zu bauen.
    Beginnend an der linken unteren Ecke malte Katharina die Fläche zwischen den beiden Linien akribisch genau aus. Lediglich in der

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