Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
aufgegeben hatten, gingen Lisandra und Maria schlafen. Berry war immer noch mit ihrem Brief beschäftigt und Thuna schaute aus dem Fenster. Sie sah ein paar Sterne über dem Wald leuchten und erinnerte sich an das, was sie über die Feen-Begabung im Lexikon gelesen hatte. Nämlich dass jemand, der die Feen-Begabung besaß, mit dem Licht der Nachtgestirne zaubern konnte. Thuna hatte die Sterne und den Mond schon immer geliebt. Und sie glaubte fest daran, dass sich in ihrem silbrigen Schimmer etwas ganz Wichtiges, Zauberhaftes verbarg. Doch damit zaubern, das konnte sie leider nicht, so wie sie mit gar nichts zaubern konnte. Warum sie zauberisch so unbegabt war, wusste sie nicht. Die meisten Menschen in Amuylett konnten wenigstens Wasser im Topf zum Kochen bringen, ohne ein Feuer zu haben, oder ihre Regale entstauben, ohne einen Staubwedel zu benutzen. Einfacher Zauber war etwas, das war so leicht wie atmen oder sprechen. Thuna wusste, dass Zauberkraft außerhalb von Amuylett – also in den anderen Welten – etwas sehr Seltenes war. Und wie schon so oft machte sich Thuna Gedanken darüber, wo sie eigentlich herkam. Dabei musste sie über sich selbst lachen. Denn alle Waisenkinder malten sich aus, was sie für eine großartige Herkunft haben könnten, die eines Tages entdeckt werden würde. Aber die Wahrheit, dachte Thuna, war doch, dass sie wie alle anderen Waisenkinder ganz normal war. Und dass sie irgendwann auf irgendeine Weise in ihrer eigenen Welt verloren gegangen war.
Thuna stand auf und flüsterte Berry zu, sie werde noch etwas in den Garten gehen.
„ Bist du verrückt?“, flüsterte Berry. „Weißt du, was hier nachts los ist? Unholde und böse Geister kommen aus den Wäldern! Tiere aus dem Sumpf klettern an Land, denen möchte ich nicht mal bei Tag begegnen! Es gibt Lehrer, um die sollte man nachts einen großen Bogen machen, und dann gibt es da noch die Bande, weißt du, lauter böse, fiese Typen, die vor gar nichts zurückschrecken!“
„ Ich passe auf, dass mich keiner sieht“, sagte Thuna. „Darin bin ich ganz gut. Gute Nacht, Berry!“
„ Gute Nacht“, sagte Berry, immer noch besorgt.
In den schwarzen Fluren war es sehr ruhig. Nachdem sich Thuna an die Dunkelheit gewöhnt hatte, konnte sie den Widerschein schwachen Lichts auf den Wänden erkennen und sich daran orientieren. Sie wollte keine Kerze anmachen, denn das hätte nur die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Sie kannte sich schon recht gut aus. Den Weg zur Bibliothek fand sie ohne Probleme und von dort aus war ihr der Weg in den Garten mittlerweile vertraut. Sie hatte schon befürchtet, das Tor, das nach draußen führte, sei abends verschlossen, doch sie fand es offen vor und betrat das dichte, blaugrüne Gras, das im Licht der Sterne noch blauer aussah als sonst. Sie kam an den Gefräßigen Rosen vorbei, die nun schliefen, und sah, wie die Ungenießbaren Äpfel in der Nacht glänzten. Sie bahnte sich ihren Weg durch tellergroße Veilchen und gelangte an den Teich mit den fluoreszierenden Seerosenblättern. In der Nacht und aus nächster Nähe leuchtete das Wasser wie von innen, türkis und hellblau und dunkelgrün. Thuna wusste nicht genau, warum sie hierhergekommen war, doch sie musste ihren Kopf unter Wasser tauchen, um zu sehen, ob es darin genauso aussah wie in ihrem Traum.
Also holte sie tief Luft, berührte mit der Nasenspitze das Wasser und schreckte gleich wieder zurück, weil es so eiskalt war. Doch ihre Neugier ließ ihr keine Ruhe. Sie versuchte es noch einmal. Im ersten Moment, da sie mit dem Gesicht eintauchte, glaubte sie, sie könne die Kälte nicht aushalten. Doch dann, einen Augenblick später, fühlte sie etwas Leichtes wie Musik durch ihre Adern fließen. Sie musste die Luft nicht anhalten. Sie konnte unter der Wasseroberfläche atmen. Thuna öffnete die Augen. Das Wasser schimmerte und strahlte in einem überirdisch blauen Licht! Sie sah in die Tiefe, wo das Wasser dunkelblauer wurde, und hielt nach Estherfein Ausschau. Doch die Fee war nicht zu sehen, wie hätte das auch möglich sein können, da die Feen diese Welt schon lange verlassen hatten. Nun wurde es doch zu kalt für Thuna und sie zog das Gesicht wieder aus dem Wasser. Sicher hätte sie es gleich noch einmal probiert, um zu sehen, ob sie wirklich unter Wasser atmen konnte, wäre sie nicht beim Namen gerufen worden.
„ Thuna? Was machst du da?“
Thuna drehte sich erschrocken um. Sie sah Scarletts Gesicht hinter sich im Dunkeln, die schwarzen Haare
Weitere Kostenlose Bücher