Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
nächsten Tages führte die Mädchen schon wieder in den Garten. Die Lehrerin, die das Fach „Freundschaft und Eintracht“ unterrichtete, zeigte ihren Schülern die Gefräßigen Rosen.
„ Seht her!“, rief Frau Eckzahn mit heiserer Stimme, „diese Rosen machen keinen Unterschied zwischen Freund und Feind. Sie beißen jeden!“
Um diese Aussage zu veranschaulichen, band sie eine Rose los und sogleich riss die Rose einer anderen Rose den halben Kopf ab. Einige Schüler zuckten zusammen. Frau Eckzahn aber griff unbeeindruckt nach der wütenden Rose, ohne sich von ihr beißen zu lassen, und band sie wieder fest.
„ Diese Rosen sind vorbildlich“, sagte sie. „Wir Menschen neigen dazu, große Unterschiede zu machen. Den einen mögen wir, den anderen mögen wir nicht. Die einen nennen wir Freunde, die anderen Feinde. Das ist kleinlich und führt zu nichts. Erst wenn wir jeden Menschen gleich behandeln, sind wir wirklich gerecht. Schreibt euch das auf!“
Die Schüler holten ihre Blöcke hervor und notierten, was Frau Eckzahn gesagt hatte. Oder sie kritzelten kleine Bildchen aufs Papier und überlegten, ob es möglich wäre, etwas vom Abendessen mitgehen zu lassen, sodass man etwas zum Frühstück hätte, falls man vorhatte zu verschlafen.
Berry meldete sich, nachdem sie ihre Notizen vollendet hatte.
„ Aber ist es nicht von Nachteil“, fragte sie, „wenn man jedem Menschen gegenüber feindselig eingestellt ist – so wie diese Rosen?“
Scarlett wusste nicht, ob Berry gerade zufällig in ihre Richtung schaute oder ob es Absicht war.
„ Das spielt hier keine Rolle, Mädchen“, sagte Frau Eckzahn tadelnd. „Ich erkläre euch gerade, was Gerechtigkeit ist. Es spricht nicht gerade für dich, dass du bei dieser Gelegenheit auf Vorteile und Nachteile zu sprechen kommst. Unsere persönlichen Wünsche müssen wir zurückstellen, sobald es um Gerechtigkeit geht! Kommt Kinder, wir gehen weiter zu den Ungenießbaren Äpfeln.“
Berry runzelte die Stirn, doch Lisandra klopfte ihr auf die Schulter.
„ Die Äpfel sind sicher ganz vorbildlich, weil sie genauso ungenießbar sind wie Frau Eckzahn“, raunte sie. „Mach dir nichts draus.“
Frau Eckzahn riss einen der Äpfel ab, woraufhin der Baum sehr unheimlich zu knarren und zu wimmern begann.
„ Ruhe!“, sagte Frau Eckzahn zu dem Baum und tatsächlich war er daraufhin still. „Wer von euch möchte in diesen Apfel beißen?“
Scarlett traute ihren Ohren kaum. Jeder wusste, dass die Ungenießbaren Äpfel diesen Namen trugen, weil sie hochgiftig waren. Was also wollte Frau Eckzahn mit dieser Frage bezwecken? Da sich niemand meldete, griff Frau Eckzahn die ängstliche Maria bei der Schulter und zog sie zu sich heran.
„ Hier! Nimm den Apfel, Kleine, und beiß hinein.“
„ Entschuldigen Sie“, sagte Maria, „aber sind die Äpfel nicht giftig?“
„ Oh ja, sie sind furchtbar giftig. Sag mir doch deinen Namen, Kind, und wer deine Freunde sind.“
Maria war es gewohnt, brav zu sein und zu gehorchen. Daher nahm sie den Apfel entgegen, nannte ihren Namen und zählte ihre Freundinnen auf: Scarlett, Thuna, Lisandra und Berry.
„ Sehr gut, Maria“, sagte Frau Eckzahn und notierte etwas in ihrem kleinen, grünen Büchlein. „Dann bitte ich mal … Berry hervor.“
Berry war normalerweise eine eifrige Schülerin. Doch jetzt machte sie ein sehr missmutiges Gesicht, als sie zu Maria unter den Apfelbaum trat.
„ So, Berry“, sagte Frau Eckstein, „du wirst nun Marias Apfel nehmen, weil du ihre Freundin bist, und hineinbeißen.“
„ Das werde ich ganz sicher nicht tun, Frau Eckzahn“, erwiderte Berry entschlossen.
„ Nun gut, dann muss eben Maria in den Apfel beißen, weil sie sich auf ihre Freundinnen nicht verlassen kann.“
Berry schnappte nach Luft.
„ Aber das ist doch völliger Blödsinn! Ich kann doch nicht in einen giftigen Apfel beißen!“
Frau Eckzahn zuckte mit den Schultern.
„ Geh zurück zu deiner Klasse, Berry. Und du, Maria, beißt nun in den Apfel und wir schauen zu, was passiert.“
Berry ließ sich das nicht zweimal sagen und kehrte in die Reihen der Schüler zurück. Maria wurde noch weißer im Gesicht und betrachtete unglücklich den Apfel in ihrer Hand. Ohne zu überlegen, was sie eigentlich tat, trat Scarlett hervor.
„ Gib mir das blöde Ding“, sagte sie zu Maria, riss ihr den Apfel aus der Hand und biss hinein. Sie tat es aus reinem Trotz. Und siehe da – der Ungenießbare Apfel schmeckte saftig und gut.
Die
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