Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
Schüler starrten Scarlett mit offenem Mund an, halb entsetzt, halb verzückt, da sie erwarteten, dass Scarlett gleich die Augen verdrehen und mit grünem Schaum vorm Mund zu Boden stürzen würde. So etwas hatten sie noch nie gesehen! Und sie würden es auch nie sehen, denn Scarlett erfreute sich allerbester Gesundheit und aß nach und nach den ganzen Apfel auf.
„ Sehr anständig“, sagte Frau Eckzahn. „Wie heißt du? Scarlett? Gut.“
Wieder kritzelte Frau Eckzahn etwas in ihr Notizbuch.
„ Ihr seht, Kinder, Freundschaft lohnt sich normalerweise nicht. Wenn ihr in Not seid, lassen euch eure Freunde im Stich – so wie Berry Maria im Stich gelassen hat. Und wenn sie euch nicht im Stich lassen, kann das tödlich ausgehen, so wie es für Scarlett fast tödlich ausgegangen wäre. Ich frage euch: Was soll an Freundschaft gut sein?“
Die Lehrerin blickte in die Runde, erwartete aber keine Antwort.
„ Euch ist natürlich klar“, fuhr sie fort, „dass ich Scarlett keinen Ungenießbaren Apfel gegeben habe. Ungenießbare Äpfel kann man nicht so einfach pflücken, der Baum wehrt sich. Ich habe nur ein bisschen an dem Apfel gezogen und dann getrickst. Der Apfel, den Scarlett gerade gegessen hat, war ein ganz harmloser Apfel, den ich heute Morgen auf dem Markt in Quarzburg gekauft habe.“
Hier lächelte Frau Eckzahn, als sei ihr ein ganz besonderes Meisterstück gelungen.
„ Ich denke, dass Scarlett heute besonders viel gelernt hat und ihr mit ihr: Freundschaft ist gefährlich. Wer vertraut, kann benutzt werden. Sammelt mir bis morgen auf fünf Seiten, wie oft ihr im Leben schon von Freunden verraten oder hintergangen worden seid!“
Frau Eckzahn kehrte zum Haus zurück und die Schüler folgten ihr langsam. Thuna, Lisandra und Berry stürzten sich auf Scarlett.
„ Bist du verrückt?“, fragte Lisandra. „Wenn es nun ein echter Ungenießbarer Apfel gewesen wäre?“
„ Ich wäre schon nicht gestorben“, sagte Scarlett. „Nicht mal Frau Eckzahn kann sich vergiftete Schüler leisten.“
„ Das war kopflose Angeberei!“, rief Berry. „Wie kannst du nur so etwas Dummes tun? Diese Frau Eckzahn ist nicht ganz dicht, das ist eine Verrückte, und du machst auch noch mit?“
„ Was geht dich das an?“, rief Scarlett zurück. „Ich kann machen, was ich will!“
„ Jetzt beruhigt euch doch“, sagte Maria. „Es ist alles gut und ich bin so froh, dass nichts passiert ist. Kommt, wir müssen in die nächste Stunde.“
Die Mädchen folgten der Klasse, die schon im Haus verschwunden war, nur Scarlett blieb zurück. Sie hob die Rosenblütenblätter auf, die die Gefräßige Rose von der anderen Rose abgebissen hatte. In Scarletts Händen reihten sich die Rosenblätter aneinander, eins ans andere, bis sie eine lose Rosenblatt-Schlange bildeten. Das sah hübsch aus. Scarlett setzte die Schlange ins Gras und sah ihr zu, wie sie davonschlängelte. Irgendwie fühlte sich Scarlett jetzt besser. Sie lief ins Haus und die Kellertreppen zu den Schulräumen hinab. Am unterirdischen Sumpfkanal lag kein Boot mehr, das sie zu ihrem Klassenzimmer hätte bringen können. Das war Pech. Also setzte sie sich an den Rand des Kanals und wartete. Was hätte sie auch sonst tun können?
Nach zwanzig Minuten kam endlich ein Boot und niemand anderes saß darin als Gerald Winter, der vornehme, leicht arrogante Junge, dessen Vater Lehrer an dieser Schule war. Im rosa Licht dieser unterirdischen Sonne sah er mit seinen längeren braunen Haaren und dem ebenso dunkelbraunen, lässigen Anzug sehr gut aus. Er ruderte, als habe er nichts Besseres zu tun, gelangweilt in einer Schule, die ihm nichts Neues mehr beizubringen vermochte.
„ Sieh mal an“, sagte er nun mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen. „Eine Erstklässlerin schwänzt den Unterricht!“
„ Wenn du mir dein Boot gibst, werde ich mit Schwänzen aufhören“, sagte Scarlett knapp und unfreundlich. Dieser Gerald musste nicht wissen, dass sie wusste, dass er gut aussah.
„ Dir mein Boot geben? Ich denk ja nicht dran“, erklärte er. „Aber wenn du mich recht nett bittest, dann rudere ich dich vielleicht persönlich zu deinem Klassenzimmer.“
„ Bitten werde ich dich nicht. Aber rudern kannst du mich.“
Scarlett stand auf und Gerald bewegte sein Boot betont langsam an den Uferrand.
„ Du musst nicht gleich im Boden versinken vor Dankbarkeit“, sagte er. „Auch wenn das angemessen wäre, aber ich lege nicht so viel Wert auf Unterwürfigkeit. Wenn
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