Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
du nun einsteigen möchtest?“
Scarlett war klar, dass er sie die ganze Zeit verspottete. Doch sie war sich nicht zu schade dazu, in das Boot zu steigen. Während der ganzen Fahrt zum Klassenzimmer, die lange dauerte, weil sich Gerald viel, viel Zeit ließ, sagte sie kein Wort. Schließlich und endlich kamen sie doch noch an.
„ Da wären wir“, sagte er. „Hat mich gefreut, deine Bekanntschaft zu machen … ähm … wie heißt du noch mal?“
„ Scarlett“, sagte Scarlett eisig. „Danke.“
Sie stand gerade auf und das Boot kam gefährlich ins Schwanken, als sie von weiter oben einen durchdringenden Schrei hörten. Weitere panische Schreie von anderen Personen folgten. Dann polterten eine Menge Füße im oberen Stockwerk den Flur entlang.
„ Was ist da los?“, fragte Gerald und seine Stimme klang ganz anders als zuvor.
Überall gingen die Türen der Klassenzimmer auf und Lehrer und Schüler steckten ihre Köpfe nach draußen. Die Schreie von oben nahmen nämlich nicht ab, sie wurden immer zahlreicher und lauter. Da waren Menschen auf der Flucht, jemand versuchte, für Ordnung zu sorgen und die Hilfeschreie mit Anweisungen zu übertönen. Einen kurzen Moment war es still, dann wieder ein Schrei und die Panik ging von vorne los.
Ohne Rücksicht darauf, dass Scarlett im Boot stand und noch nicht ausgestiegen war, schnappte Gerald wieder die Ruder und lenkte das Boot zurück in den Kanal. Scarlett kippte auf ihre Bank zurück und staunte, in welch rasender Geschwindigkeit Gerald zur Kellertreppe ruderte. Dort sprang er ans Ufer und rannte die Treppen hinauf, gefolgt von Scarlett, die auch wissen wollte, was los war.
Was sie sahen, als sie oben ankamen, war das: Ein Schüler eines höheren Jahrgangs lag bleich und mit schweißnasser Stirn auf dem Boden. Eine Lehrerin kniete neben ihm und schüttelte eine Ampulle. Mehrere Schüler drängten sich auf einem Stuhl, sie hatten gar nicht alle Platz darauf, doch sie starrten ängstlich nach unten, hielten sich gegenseitig fest und stöhnten ab und zu leise auf, weil ihre Lage mehr als unbequem war.
Am anderen Ende des Gangs standen Viego Vandalez und Krotan Westbarsch, zusammen mit anderen Lehrern, die gerade nicht unterrichteten oder mit ihren Schülern außerhalb der Klassenzimmer unterwegs gewesen waren. Gemeinsam hielten sie weitere Schüler davon ab, in den Gang zu kommen. Von jenseits der Menschenmenge rief jemand:
„ Wir haben hier noch zwei, beeil dich Estephaga!“
Estephaga war die Lehrerin, die dem mittlerweile ohnmächtigen Jungen am Boden den Inhalt der Ampulle spritzte.
„ Wenn ich bloß wüsste, ob es wirkt …“, murmelte sie und beeilte sich, zu der Stimme zu gelangen, von der sie gerufen worden war.
„ He, was drückt ihr euch da oben rum?“, fragte Gerald die Schüler, die sich auf dem Stuhl drängelten und Schwierigkeiten hatten, das Gleichgewicht zu halten.
„ Wir haben keinen Platz mehr für euch!“, kreischte ein Junge mit Brille zurück. „Versteckt euch lieber im Keller! Sie ist hier noch irgendwo!“
„ Wer?“, fragte Gerald.
„ Die Schlange!“, rief der Junge. „Sie ist blitzschnell und wenn sie euch beißt, seid ihr tot!“
Gerald und Scarlett blieben stehen, wo sie waren. Viego Vandalez trat nun in den Gang und sah sich suchend um.
„ Sie kann sich doch nicht unsichtbar machen, oder?“, fragte er die Lehrer in seinem Rücken.
„ Passen Sie bloß auf, Viego!“, rief Frau Eckzahn, die auch irgendwo in der Menge stand. „Wenn Sie sich beißen lassen, ist niemandem damit geholfen!“
Der Gang war wie alle Gänge in Sumpfloch recht dunkel. Viego ging vorsichtig von einer schattigen Ecke zur nächsten und dabei musste er die Schlange aufgeschreckt haben, denn ganz plötzlich schoss sie hinter einer Säule hervor, geradewegs auf Scarlett und Gerald zu.
Nun geschah Folgendes: Scarlett blieb die Luft weg, nicht vor Angst, sondern weil sie die Schlange wiedererkannte. Dieses giftige, gefährliche Tier, das schon mehrere Schüler gebissen hatte, war die Rosenblatt-Schlange! Sie selbst hatte das Ungeheuer ins Leben gerufen! Sie konnte es nicht fassen und sie konnte auch nichts tun. Sie hatte noch keinen einzigen ihrer eigenen Zauber beseitigt. Die meisten hatten sich irgendwann von selbst aufgelöst und die wenigen, die bestehen blieben, hatten sich selbstständig gemacht und lebten im Verborgenen weiter.
Gerald schrie nicht und wich auch nicht aus. Gleichzeitig mit Vandalez streckte er seinen Arm in Richtung
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