Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
nicht gut genug ausgebildet, um tatsächlich ein köstliches Essen zu garantieren. Zum Zweiten wollte Viego nicht um seinen Geschmackssinn betrogen werden. Und drittens wäre es ein auffälliger Zauber gewesen, der dem einen oder anderen Lehrer verdächtig vorgekommen wäre.
Über die erwachsene Cruda, die angeblich ihre Späher nach Sumpfloch geschickt hatte, brachte Scarlett nicht viel in Erfahrung. Viego Vandalez deutete an, dass sie eine große Gefahr darstellte. Nicht nur für die Schüler von Sumpfloch, sondern auch für das ganze Land, wenn nicht sogar für die ganze Welt. Und dann bat er Scarlett um einen Gefallen: Es mochte sein, dass sich unter den Schülern in Sumpfloch einige Erdenkinder befanden – Menschen aus einer anderen Welt, in der die Zauberei eher selten war. Diese Kinder waren daher sehr unbegabt, wenn es um gewöhnliche Zauberei ging, doch hatten sie durch den Weltenwechsel ein außerordentliches Talent erworben. Diese Talente, sagte Vandalez, könnten im Kampf gegen die Cruda überaus bedeutsam werden. Falls Scarlett ein solches Erdenkind mit einem ungewöhnlichen Talent unter den Schülern entdeckte, so bat er, möge sie ihm doch darüber Bescheid geben. Scarlett hatte großes Vertrauen in Vandalez. Aber sie hatte auch Bedenken. Wurde sie auf diese Weise nicht zu einer Späherin? Zu einer Spionin für die Seite, auf der Vandalez stand? Sie wusste nicht mal, auf welcher Seite Vandalez stand. Sie wusste nur, dass er ihr beibrachte, gute Zwecke mit bösen Absichten zu verfolgen.
Lisandra kämpfte in all den Wochen und Monaten mit dem Unterricht. Sie war ein wildes Mädchen, das es nicht gewohnt war, still auf einem Stuhl zu sitzen und zu lauschen. Mit dem Schreiben und Lesen stand sie auch auf Kriegsfuß. Sie konnte nur seufzen, wenn sie sah, wie leicht ihren Tischnachbarinnen Thuna und Maria das Schreiben fiel, wie sie Kringel und Zeichen auf das weiße Papier setzten und dann später mühelos vorlesen konnten, was sie in der Stunde schriftlich festgehalten hatten. Wenn Lisandra ein Wort aufschrieb, dauerte das so lange, dass sie darüber den Rest des Satzes vergaß, geschweige denn noch mitbekam, was der Lehrer an der Tafel ausführte.
Natürlich waren Lisandras Freundinnen überaus hilfsbereit. Sie wollten mit Lisandra üben, nachmittags, wenn die Hausaufgaben erledigt waren. Doch Lisandra hatte keine Lust. Wie schon gesagt, sie hasste es, still zu sitzen, und deswegen wollte sie nicht Schreiben üben, wenn sie frei hatte, sondern im Freien herumrennen oder in abgelegenen und verbotenen Winkeln klettern, hangeln, springen oder kriechen. Innerhalb kürzester Zeit kannte Lisandra die abenteuerlichsten Schlupfwinkel von Sumpfloch und hatte auch schon den eingestürzten Turm an der Westseite erkundet. Doch im Unterricht blieb sie hoffnungslos zurück.
Auf einem ihrer Streifzüge begegnete Lisandra eines Tages Geicko. Sie kletterte gerade eine eingefallene Treppe hinab, im abgesperrten Teil des Gebäudes. Geicko kletterte dieselbe Treppe hinauf und so trafen sie sich in der Mitte. Da sie von niemandem beobachtet wurden, kletterten sie nicht weiter, sondern blieben auf der Treppe sitzen und sprachen miteinander. Lisandra erfuhr, dass Geicko auch nicht gut schreiben konnte, aber ein wunderbares Gedächtnis hatte. Fast alles, was die Lehrer sagten, konnte er sich merken. Die einzige Voraussetzung war, dass er verstand, was sie erklärten, was bisher ganz gut geklappt hatte.
Nachdem Lisandra und Geicko miteinander gesprochen hatten, kletterten sie die Treppe wieder hinauf und erkundeten diesen verbotenen Winkel zu zweit, was viel mehr Spaß machte als alleine. Ohne sich jemals zu verabreden, trafen sie sich bald jeden Tag, um gemeinsam heimliche Streifzüge durch die Festung zu unternehmen. Ab und zu klärte Geicko Lisandra darüber auf, was sie am selben Morgen im Unterricht gelernt hatten. Aus Geickos Mund klang all das Wissen gar nicht so kompliziert und schwierig, wie Lisandra es empfunden hatte. Außerdem musste sie nicht still sitzen, während sie es hörte. Vielleicht war genau das der Trick: Während sie sich bewegte, kam das Wissen in ihren Kopf geflossen. Wenn sie still saß, blieb es draußen.
So besserte sich Lisandras Leistung in der Schule ein wenig, wenn auch nicht viel. Ihren Freundinnen erzählte sie nichts von Geicko. Irgendwie glaubte sie, dass es die Mädchen nichts anging. Geicko erzählte seinen Freunden sicherlich auch nichts von ihr. Im Unterricht taten sie beide
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