Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
die Gänge von Sumpfloch hatten die Eigenart, immer dann um die Ecke zu führen, wenn man keine Ecke gebrauchen konnte. Oder sie endeten in einer Sackgasse.
„ Nein“, murmelte Scarlett, „diese Richtung führt in die Irre.“
Sie wollte gerade umdrehen, als sie eine leise Stimme hörte, die ihr allzu bekannt vorkam. Es war Berrys Stimme. Was machte die fleißige, brave Berry am späten Nachmittag in einem völlig abgelegenen Teil der Festung? Scarlett schlich sich näher heran. Berry musste in einem der Zimmer sein, die vom Gang abgingen. Die Tür zu dem Zimmer, aus dem Berrys Stimme kam, war verschlossen. Scarlett wollte sich nicht verraten, indem sie die Klinke herunterdrückte. Dafür legte sie ihr Ohr an die Tür und lauschte, was man ja normalerweise nicht tun sollte. Aber wozu war sie eine Cruda?
„ Ich bin ganz sicher“, erklärte Berrys Stimme. „In Höhere Magie ist sie eine Niete. Trotzdem kann sie … Nein, glauben Sie mir, sie kennt sich noch gar nicht aus. Sie begreift nicht, wie stark sie wäre, wenn sie alles wirklich benutzen würde. Sie ist sehr bescheiden. Aber Sie werden ihr doch nichts tun?“
Scarlett hielt es vor Neugier nicht mehr aus. Sie musste wissen, mit wem Berry sprach. Darum drückte sie die Klinke nieder, öffnete die Tür ein Stück und steckte ihren Kopf ins Zimmer. Sie konnte gerade noch sehen, wie Berry einen Spiegel hinter ihrem Rücken versteckte.
„ Hey, Scarlett!“, rief Berry. „Was machst du denn hier? Ich hab dich gar nicht kommen hören.“
„ Entschuldige“, sagte Scarlett und war erstaunt, wie überzeugend sie sich verstellen konnte. „Ich hörte eine Stimme hinter der Tür und wollte nachfragen, wie ich von hier zur Bibliothek komme. Ich hab mich mal wieder verlaufen, das passiert mir andauernd. Aber wie kommst du hierher?“
Berry zog den Spiegel hervor. Es war ein kleiner Handspiegel mit einem silbernen Griff. „Hier, siehst du? Ein Spiegelfon. Es ist doch verboten, Spiegelfone nach Sumpfloch mitzubringen. Aber ich wollte mit meinen Eltern in Kontakt bleiben. Sie haben mir das Spiegelfon zum Abschied geschenkt.“
„ Du hast mit deinen Eltern gesprochen?“
Berry nickte schuldbewusst und wenn Scarlett nicht mit eigenen Ohren gehört hätte, dass Berry die andere Person mit „Sie“ angesprochen hatte, dann hätte sie ihr womöglich geglaubt.
„ Das ist ja geschickt“, sagte Scarlett und lächelte anerkennend. „Und? Was haben deine Eltern gesagt?“
„ Ach, es geht ihnen nicht so gut.“ Berrys Augen wurden mal wieder groß und nass von Tränen. „Mama wird krank, weil sie das schlechte Essen nicht verträgt. Papas Hände sind voller Blasen und Risse und nachts kann er nicht schlafen, weil er Rückenschmerzen hat. Sie haben so ein schweres Los. Ich habe es noch gut dagegen. Aber sie haben sich sehr darüber gefreut, dass ich sie angerufen habe.“
Scarlett runzelte die Stirn – sie durfte nicht zu freundlich sein, das wäre nur verdächtig gewesen – und hielt die Tür auf.
„ Wollen wir zurückgehen? Du weißt den Weg sicher besser als ich.“
Berry nickte, rieb sich die nassen Augen mit dem Ärmel ab und ging voraus. Scarlett hatte den Kopf voller rabenschwarzer Gedanken, als sie Berry folgte. Was für eine Lügnerin Berry war! Sie hatte jemanden verraten, ganz bestimmt! Scarlett wollte herausfinden, was dahinter steckte. Von nun an würde sie Berry nicht mehr aus den Augen lassen.
Als das Abendessen begann, fehlten Thuna und Lisandra. Scarlett und Berry waren schweigsam und machten keine Anstalten, sich zu streiten, was ungewöhnlich war. Maria ließ ein paar Bemerkungen über das Essen fallen („Diese Pfannkuchen sehen verschimmelt aus. Können sie nicht Teig nehmen, der nicht verschimmelt aussieht? Die Pfannkuchen werden doch nicht wirklich verschimmelt sein? Iiih, was ist denn das? Von dieser Füllung bekommt man ja Alpträume. Okay, ich esse das jetzt. Hm … es ist nicht schlecht. Kann mir bitte jemand die Serviette um die Augen binden, während ich esse?“) und schwieg dann auch.
Endlich kam Lisandra, ungefähr fünf Minuten nach Geicko, der auch zu spät gekommen war. Lisandras Wangen glühten, ihre Augen glänzten, ihre wilden Locken waren zerzaust und standen nach allen Seiten ab. Sie ließ sich auf die Bank fallen, als wäre sie zuvor um ihr Leben gerannt.
„ Was ist denn mit dir los?“, fragte Scarlett. „Bist du der Bande in die Arme gelaufen?“
„ Schlimmer“, sagte Lisandra. „Aber fragt mich nicht.
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