Die Sumpfloch-Saga Bd. 1 - Feenlicht und Krötenzauber
unterhielten, doch was sie sagten, verstand sie nicht.
Sie aß den Brei mit den Fingern – Besteck hatte sie keins – und kroch wieder in die wärmste Ecke zurück. Dort wartete sie, wenn sie auch nicht wusste, worauf sie warten sollte. Auf ihre Befreiung? Daran glaubte sie nicht. Noch nie hatte sich jemand um Thuna und ihr Wohl gekümmert. Wer sollte jetzt die Mühe auf sich nehmen, an diesen unwirtlichen Ort zu reisen, um sie aus der Gewalt von Widdermännern und Höllenhunden zu befreien? Niemand. Trotzdem wartete sie. Vielleicht wartete sie darauf, dass überhaupt irgendwas passierte. Dass jemand kam und ihr sagte, warum sie entführt worden war. Doch nichts dergleichen geschah.
Der Tag zog sich endlos in die Länge. Am Abend schließlich kam mit dem Abendessen – einer weiteren Schüssel Brei – eine böse Überraschung. Etwas Dunkles wurde in Thunas Verlies geworfen, ein großes Bündel, in Decken gewickelt, das dumpf zu Boden fiel und dort reglos liegen blieb.
„ Bist du sicher, dass sie noch lebt?“, fragte ein Widdermann einen anderen Wächter mit Raubvogelaugen und Schnabelmund.
„ Ja, ihr Herz klopft“, antwortete der Raubvogelwächter. „Wir können morgen noch mal schauen. Sie soll sowieso verlegt werden. Ist sicherer, heißt es.“
Sie schlugen die Tür zu, Thuna hörte das mittlerweile vertraute Geräusch, wie der Schlüssel herumgedreht wurde, und dann war sie mit dem stillen, schwarzen Bündel alleine. Auf allen vieren kroch sie heran und tastete das Bündel vorsichtig ab. Ein Mensch lag da, ein Mädchen. Wer mochte das sein? Da bewegte es sich plötzlich, jemand kämpfte mit den Decken, strampelte sie beiseite und dann kam ein Kopf zum Vorschein.
„ Sind sie weg?“, fragte Maria.
„ Ja“, antwortete Thuna überrascht. „Maria? Bist das wirklich du?“
Es war so dunkel, dass Thuna Marias Gesicht nicht erkennen konnte. Aber die Stimme war ihr ganz vertraut.
„ Ja, ich bin es. Thuna, wir müssen fliehen! Eine Cruda will uns für ein Experiment benutzen!“
„ Eine Cruda?“ Thuna schüttelte ungläubig den Kopf. „Ich dachte, es gibt keine Crudas mehr!“
„ Doch, doch“, widersprach Maria und ihre Stimme klang ganz dünn und weinerlich. „Wir sind verloren! Wenn meine Eltern das wüssten … Aber sie haben ja keine Ahnung. Vielleicht sehen sie mich nie wieder, ihnen wird das Herz brechen, wenn ich sterbe!“
Thuna tastete nach Marias Hand. Immerhin waren sie nicht alleine. Zu zweit war alles viel, viel leichter. Auch wenn Marias Vorstellungen, wie sie fliehen könnten, nicht ganz realistisch waren. Sie schlug vor, sie könnten weglaufen, wenn die Wächter sie zum Baden holten oder zum Klo führten. Thuna zeigte nur auf einen Nachttopf in der Ecke und den Trog Wasser an der Tür.
„ Vergiss es, Maria. Bad und Klo befinden sich hier im Raum.“
Das fand Maria schockierend, doch sie wusste, dies war nicht der Augenblick, um zimperlich zu sein. Sie schluckte ihr Entsetzen hinunter und versuchte über weitere Fluchtmöglichkeiten nachzudenken.
„ Was ist das für eine Cruda?“, fragte Thuna. „Und was für ein Experiment hat sie mit uns vor?“
„ Sie ist schon uralt“, erzählte Maria. „Sie hat ein Geheimnis gestohlen. Es geht um einen Schlüssel, den sie haben will. Mit dem Schlüssel könnte sie Welten formen oder zerstören. Die Regierung weiß nichts von diesem Plan. Wenn sie davon wüsste, würde sie uns nicht helfen. Im Gegenteil. Das hat mir Lisandra erzählt.“
„ Was redest du da?“, fragte Thuna. „Die Regierung möchte bestimmt nicht, dass diese Cruda Experimente mit uns macht!“
„ Nein, das nicht. Aber es ist wichtiger, dass die Cruda an ihren Plänen gehindert wird. Auch wenn das auf unsere Kosten geschieht. Verstehst du?“
Thuna verstand, was Maria meinte. Aber Thuna glaubte, dass Lisandra zu misstrauisch war, was die Regierung anging. Nur eines war sicher, so oder so: Sie mussten fliehen, irgendwie. Da es nun dämmerte, konnte Thuna wieder das blaue Licht erkennen, das matt aus den Mauerritzen sickerte und sanft leuchtete.
„ Schau mal“, sagte Thuna und tippte Maria an. „Siehst du das?“
Maria sah überhaupt nichts. Auch nachdem ihr Thuna erklärt hatte, was sie hätte sehen sollen – das blaue Licht blieb ihr verborgen.
Die Nacht war weniger stürmisch als die letzte, doch es war bitterkalt. Die beiden Mädchen drängten sich in der wärmsten Ecke aneinander und Maria erzählte Thuna, was diese noch nicht wusste. Thuna
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