Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
an:
„Nun sag es ihnen schon! Sonst denken sie noch, du wärst wirklich krank!“
„Was denn?“, fragte Scarlett erschrocken.
„Na, das mit dem schönen Gerald. Du machst dir bestimmt Sorgen, dass er dich links liegen lässt, jetzt, wo die Ferien vorbei sind.“
„Nein!“, widersprach Scarlett, überlegte es sich dann aber anders. Da sie nicht von Hanns erzählen wollte, denn diese alte Freundschaft gehörte in einen besonderen und tief vergrabenen Teil ihres Lebens, bot sich Gerald als geeignete Ausrede an.
„Er lässt mich nicht links liegen, aber trotzdem beschäftigt es mich. Ich weiß nicht, woran ich mit ihm bin.“
Thuna und Maria schauten sie verständnislos an.
„Woran du mit was bist?“, fragte Maria schließlich, da Scarlett keine Anstalten machte, die Sache zu erklären.
„Er hat sie geküsst“, sagte Lisandra.
„Oh!“, riefen Thuna und Maria wie aus einem Mund.
„Es war ganz harmlos“, beteuerte Scarlett. „Wahrscheinlich hat er das nur gemacht, um mich zu ärgern.“
„Aber so ärgert man keine Mädchen, die man nicht mag!“, stellte Thuna fest.
„War es gut?“, fragte Maria.
„Schon“, sagte Scarlett so leichthin wie möglich, doch merkte sie, wie ihr dabei das Blut in den Kopf stieg. Es war wohl besser gewesen, als sie zugeben wollte. Ein Glück, dass die Lampe an der Decke so funzelig war, sonst hätte man ihr die Verlegenheit noch deutlicher angesehen.
„Nun rede schon!“, forderte Thuna sie auf. „Was habt ihr gemacht in den Ferien?“
Scarlett begann erst zögernd, dann zunehmend begeistert vom gemeinschaftlichen Schneeschippen zu erzählen, den abendlichen Spielen im Hungersaal vorm Kaminfeuer, den Spaziergängen im Schnee und den Erkundungstouren in tiefere Gewölbe, wo ihr Gerald eine Grotte gezeigt hatte, die wie eine Tropfsteinhöhle aussah. Man musste durch einen Wasserfall rudern, um hineinzugelangen. Zu dem Zweck hatten sie immer einen großen Regenschirm dabeigehabt.
„Das Gute an Gerald ist, dass er keine Angst vor mir hat“, sagte Scarlett.
„So wie wir“, erwiderte Lisandra.
„Ja“, meinte Scarlett nachdenklich, „das stimmt. Ihr habt auch keine Angst vor mir.“
Und wie Hanns, dachte sie. Der hatte früher auch keine Angst vor ihr gehabt.
Kapitel 5: Die zwölfte Inkarnation des heiligen Zahns
Die Nacht war kurz und nervenaufreibend. Denn nachdem sie gegen Mitternacht das Licht gelöscht hatten, fuhr das Strohpüppchen ungefähr stündlich in die Höhe und brüllte:
„Wo bin ich?!“
Gegen vier Uhr morgens verfrachteten sie das Strohpüppchen, das nun Kunibert heißen sollte, in den eiskalten Flur, eingewickelt in Marias magikalische Heizdecke. Jedoch nicht, um ihn warm zu halten (das Strohpüppchen war gegen Kälte unempfindlich), sondern aus Schallschutzgründen.
So kam es, dass sie am nächsten Morgen allesamt zu spät zum Frühstück kamen, was in Sumpfloch kein Vergehen ist. Es ist nur so, dass man als Spätankömmling mit bockelharten Brotresten und kalter Brühe vorlieb nehmen muss. Da sie aber alle noch sehr satt waren von den Unmengen Pfefferbären, Pferdeäpfeln und Nusshexaedern, die sie am Abend in sich reingestopft hatten, war das nicht so schlimm. Sie saßen vor ihren dampfenden Tassen und waren recht schweigsam. Selbst Lisandra, die normalerweise Mühe hatte, still zu sitzen, rührte sich nicht und hockte mit halb geschlossenen Augen da.
Scarlett hatte beim Eintreten in den Hungersaal nach Hanns Ausschau gehalten, doch sein Platz war leer. Das versetzte sie in Sorge. Hoffentlich war er nicht abgereist, krank geworden oder gleich am ersten Tag von einem der finsteren Waldungeheuer entführt worden. Das Wahrscheinlichste aber war, dass er am ersten Morgen verschlafen hatte. Dieser Gedanke beruhigte sie. Nach dem Frühstück wurde sie von Gerald abgefangen.
„Gut geschlafen?“, fragte er.
„Nein. Und du?“
„Es ging so. Voll besetzte Fünfbettzimmer sind nicht mein Ding.“
„Weil du verwöhnt bist. Als ich noch klein war, hab ich mit fünfzig Kindern in einem Raum geschlafen. Manchmal haben sich drei oder vier Kinder ein Bett geteilt.“
„Das tut mir leid.“
„Muss es nicht.“
„Ach, übrigens, da wir gerade von bedauernswerten Kindern sprechen: Dein stiller, tiefer Freund, nach dem du dir im Hungersaal vergeblich die Augen ausgeguckt hast, stand heute Morgen bei den Müllkisten rum und hat sich in der Kälte die Beine in den Bauch gestanden.“
„Hanns? Bist du sicher?“
„Ja. Vielleicht
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