Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
wieder.
Nun war das Abendessen eröffnet. Und Scarletts Herz stand still.
Die Köchin hatte sich heute viel Mühe gegeben für die zurückgekehrten Schüler: Es gab drei Gänge in der gleichen graugrünen Farbe, doch Suppe, Auflauf und Kompott schmeckten durchaus unterschiedlich und gar nicht schlecht. Selbst Maria musste es zugeben, obwohl sie wie üblich versuchte zu essen, ohne das Essen dabei anzusehen. Lisandra erholte sich ganz schnell von ihrer Pferdeapfel-Vergiftung und aß mit großem Appetit. Als sie sah, dass Scarlett die Hälfte stehen ließ, bat sie um deren Schüsseln und bekam sie bereitwillig hingeschoben.
„Was ist los?“, fragte Thuna. „Ist dir nicht gut?“
„Ach, ich bin nur … ja, ich glaube, mit meinem Magen stimmt was nicht.“
„Du Arme. Soll ich ein bisschen Brot für dich einpacken, falls du heute Nacht Hunger bekommst?“
„Mann, Thuna“, rief Lisandra, „wir haben doch zwei Taschen voller Süßigkeiten!“
„Ich glaub nicht, dass Süßigkeiten gut für einen kranken Magen sind“, erwiderte Thuna. „Außerdem bezweifle ich, dass wir morgen noch zwei Taschen Süßigkeiten haben. Eine hast du ja schon leer gegessen!“
„Du übertreibst. Welche blöden Fächer haben wir morgen? Ich hab mich noch nicht getraut, auf den Stundenplan zu gucken.“
„Geheimkunde, Naturkreisläufe, Magikalische Physik, Geschichte“, zählte Maria auf.
„Schneeschippen“, fügte Scarlett hinzu. „Wir alle haben hier jeden Tag geschippt und Herr Winter konnte nicht oft genug sagen: Wenn wir wieder Schüler haben, werden sie zum Schneeschippen abkommandiert – dafür lass ich auch meinen Unterricht ausfallen, wenn es sein muss.“
„Schneeschippen!“, rief Maria. „Ich hab noch nie Schnee geschippt. Ist das schwer?“
„Du, Scarlett“, sagte Lisandra nachdenklich, „dein Gerald …“
„Er ist nicht mein Gerald!“
„Na gut, der Gerald, der ist doch ziemlich gut in der Schule, oder?“
„Ja, natürlich. Wie alle Lehrersöhne. Er war der Zweitbeste seines Jahrgangs, letztes Jahr. Nicht dass es mich interessiert, aber er reibt einem so was gerne unter die Nase, der Angeber.“
„Hm.“
Lisandra löffelte langsam Scarletts Kompott aus. Wie konnte das sein, dass Gerald so gut war? Wenn er auch aus einer Welt stammte, in der es keine Zauberei gab, musste sein Zaubertalent genauso unterentwickelt sein wie das von Lisandra, Thuna und Maria. Gut, er würde sicher fleißig lernen und im Gegensatz zu Lisandra konnte er bestimmt gut Lesen und Schreiben, aber alles, was mit Magie zu tun hatte: Tiersprache, Magikalische Physik, angewandte Zauberei (ein Fach, das Lisandra zum Glück erst im nächsten Jahr bekam) und Geheimkunde, darin musste er doch komplett versagen? Gab es vielleicht Tricks, die Gerald beherrschte und die man als Kind aus einer fremden Welt kennen sollte? Sie beschloss, ihn danach zu fragen.
Scarlett wagte es kaum, sich umzudrehen. Es wäre sehr auffällig gewesen, saß doch Hanns drei Tische weiter genau in ihrem Rücken. Wie oft hatte sie davon geträumt, ihn wiederzusehen. Ihm unverhofft über den Weg zu laufen, dem alten Freund, ihrem besten Freund, damit sie dort weitermachen konnten, wo sie vor vier Jahren aufgehört hatten! Tausendmal, vor allem vorm Schlafengehen, hatte sie davon geträumt, ihn an ihrer Seite zu haben, jemand, der sie verstand, der sie liebte, der mit ihr im Geheimen kämpfte, der ihr beistand, sie verteidigte und nie genug von ihr bekam. In ihrer Fantasie hatte er sich verändert. In ihrer Wunschvorstellung war er ein Held geworden, ein stotternder Held, der alles besser wusste als die anderen, auch wenn man es ihm nicht ansah, und der es auch nicht heraushängen ließ, weil er so bescheiden war.
Jetzt, da sie ihn so unerwartet wiedergesehen hatte, fühlte sie, dass der wirkliche Hanns nicht unbedingt der Hanns war, von dem sie geträumt hatte. Was nicht schlimm war! Er war ihr eben fremd geworden in den letzten Jahren, das war ja kein Wunder. Aber sie konnten wieder Freundschaft schließen, bestimmt würden sie das tun. Und immer noch war Hanns so brav und gutmütig wie früher, das sah sie ihm an.
Scarlett war sehr aufgeregt, deswegen konnte sie auch nichts essen. Ob er sie gleich erkennen würde? Ob er sich so freuen würde wie sie? Scarlett sehnte und fürchtete das Ende des Abendessens herbei. Dann kam es endlich, alle Schüler standen auf und strömten schwatzend auf den Ausgang des Hungersaals zu.
„Bin gleich wieder bei
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