Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
und zu an einem Ort treffen, wo uns nicht hundert Leute beobachten.“
„So.“
„Wir könnten morgen nach der Schule eine unterirdische Bootsfahrt machen.“
„Hm …“
„Du sagst nicht Nein, das deute ich als Ja“, sagte er. Mit dem Zeigefinger stupste er ihre Nase an und bevor sie ihn deswegen böse angucken konnte, bog er ab, denn sie hatten den Trophäensaal erreicht und Gerald hatte das Glück, nicht im Gebäudeteil mit den ungeraden Zimmernummern zu wohnen.
„Gute Nacht, kleine Hexe!“
„Gute Nacht, großer Angeber.“
Dass Scarlett so ohne Weiteres einwilligte, sich heimlich mit ihm zu treffen, hatte zwei Gründe: Erstens hatte sie sich selbst schon Sorgen gemacht, dass ihre Winterfreundschaft einfach so wegschmelzen würde, wenn das Schuljahr wieder anfing. Und zweitens war sie verstört wegen Hanns. Es fühlte sich an, als hätte ihr der alte Freund eine Abfuhr verpasst, da konnte auch das spontane Kompliment, das er ihr gemacht hatte, nichts retten. Wenn man aber eine Abfuhr bekommt, dann tut es sehr gut, von einem Jungen wie Gerald zu einer unterirdischen Bootsfahrt eingeladen zu werden.
An diesem Abend hatten sich die Mädchen so viel zu erzählen, dass sie erst tief in der Nacht das Licht löschten. Maria gab noch einmal die Geschichte vom Ritter zum Besten, der sich Thunas Pony ausgeliehen hatte und seither nicht zurückgekehrt war.
„Ich hoffe nur, dass es ihm gut geht“, sagte Maria. „Schließlich bin ich schuld daran.“
„Weil du ihn lebendig gemacht hast?“, fragte Lisandra. „Nein, was er mit seinem Leben anfängt, ist ganz allein seine Sache!“
„Ganz so einfach ist das nicht“, sagte nun Thuna. „Ich fürchte, die Dinge, die Maria zum Leben erweckt, brauchen einige Zeit, bis sie Grips bekommen. Dieses dumme Strohpüppchen …“
„Kunibert!“, unterbrach Maria. „Wir hatten beschlossen, ihn Kunibert zu nennen!“
„Also gut, Kunibert ist jetzt schon zehn Wochen alt und immer noch dumm wie … wie …“
„Stroh“, sagte Scarlett.
„Weil er nun mal aus Stroh ist!“, rief Lisandra lachend. „Was habt ihr denn erwartet?“
„Pssst“, machte Maria. „Er könnte euch hören!“
„Als ob ihm das was ausmacht“, sagte Thuna. „Er ist nämlich nicht nur dumm wie Stroh, sondern auch sehr schlicht gebastelt. Von Natur aus ein kleiner Trampel, ahnungslos und unbelehrbar.“
„Du magst ihn wohl nicht besonders?“, fragte Lisandra.
„Mal sehen, ob du ihn magst“, antwortete Thuna.
„Dabei hab ich ihm in den Ferien ein Paar ordentliche Hände gebastelt“, sagte Maria. „Er hat jetzt auch eine Nase und Augen.“
„Ich habe Maria beschworen, ihm keinen Mund zu machen, aber das nutzt ja nichts, er redet trotzdem.“
„Vergiss nicht, dass wir ihm unser Leben verdanken!“
Es war so. In der dunkelsten Stunde im Verlies der bösen Cruda hatte Maria das Strohpüppchen gebastelt und in Gedanken mit ihm gesprochen, sodass es lebendig geworden war. Denn das war Marias Gabe: Sie konnte Dinge lebendig machen. Thuna, deren besonderes Talent es war, in den Gedanken anderer Geschöpfe zu schwimmen, hatte sich dann in dem sehr leeren Strohpüppchen-Kopf damit abgemüht, das kleine Geschöpf zu lenken, was schließlich dazu geführt hatte, dass sie mithilfe des Strohpüppchens aus ihrem Gefängnis ausbrechen konnten. Doch streng genommen, überlegte Lisandra jetzt, hatten sie sich selbst geholfen und das Strohpüppchen war am Ende eben nur Stroh.
„Sehr lebendiges Stroh“, sagte Thuna. „Lautes Stroh. Aber ich würde es nicht übers Herz bringen, ihn ins Feuer zu werfen, das wäre ja Mord.“
Mord war das richtige Stichwort für Lisandra, um vom Geldmorgul zu erzählen. Sie hasste ihn so sehr und hatte sich schon verschiedene Methoden ausgedacht, wie sie ihn erledigen könnte. Allein, wie sie den Mord vertuschen und von sich ablenken könnte, darüber war sie sich noch nicht im Klaren, weswegen sie diese Aktion noch aufschieben musste.
„Lissi!“, rief Maria aus. „Das meinst du hoffentlich nicht ernst?“
Die anderen lachten.
„Du weißt doch, dass Sumpfloch nur Verbrecher hervorbringt“, sagte Lisandra. „Deine Eltern sollten sich darüber im Klaren sein!“
Scarlett war auffallend still an diesem Abend, nur ab und zu beteiligte sie sich an der Unterhaltung. Sie aß auch fast nichts von Marias Süßigkeiten, während die anderen kräftig zuschlugen. Lisandra glaubte zu wissen, woher Scarletts Magenverstimmung kam und sprach es irgendwann
Weitere Kostenlose Bücher