Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
Grunzen und Räuspern von sich, woraus Maria schloss, dass sie mit etwas Lebendigem zusammengestoßen war.
„Ähm … Verzeihung“, sagte sie und wollte sich nun umdrehen und verschwinden, doch angesichts ihrer leisen, schüchternen Stimme fand der unsichtbare Pinkler seinen Mut wieder und packte Maria am Arm.
„Halt mal!“, rief er so laut, dass es der Rest der Bande hörte und neugierig aus einer angrenzenden Finsternis in Marias Finsternis herüberkam. Es war wirklich sehr dunkel, denn in diesem Raum gab es kein Fenster, zumindest keins, das irgendein Licht gespendet hätte. Kalt war es außerdem, vor allem Marias Herz fühlte sich schlagartig eiskalt an, gefroren und im Schockzustand, als sie begriff, wem sie da in die Arme gelaufen war.
„Och, das arme Ding!“, rief eine höhnische Stimme an Marias linkem Ohr. „Hat sich verlaufen.“
„Uh, uh, da können einem ganz schlimme Dinge passieren, wenn man sich so doof verlaufen tut!“
„Muss das beschissen sein, wenn man weiß, dass man das Tageslicht nie mehr wiedersieht!“
Sie zogen an Marias Ärmeln, sie boxten und kniffen sie und bewegten sich dabei wohl im Kreis herum, denn die Stimmen blieben nie an einem Ort.
„Was machen wir denn jetzt mit unserem Spielzeug?“
„Für meinen Geschmack quietscht es zu wenig. Ich würde es gerne mal laut quietschen hören!“
„Ja, sie soll kreischen und dann halten wir ihr den Mund zu!“
„Die Frage ist doch“, meldete sich der Anführer Lorren Krug zu Wort, „ob wir etwas von ihr übrig lassen wollen oder nicht. Wie heißt du, Opfer, und in welche Klasse gehst du?“
Maria schwieg. Ihr war klar, dass sie verloren hatte, wenn die Bande herausfand, dass sie das reiche Mädchen mit den vielen Koffern war.
„Hey, ich hab dich was gefragt!“, rief Lorren Krug und versetzte ihr einen so kräftigen Stoß in den Magen, dass Maria aufschrie und sich krümmte.
„Bis jetzt ist sie langweilig“, meinte einer. „Kommt, wir hängen sie kopfüber an die Decke und gucken, was sie dann für Geräusche macht!“
Dieser Vorschlag wurde nicht diskutiert, sondern gleich in Angriff genommen. Jemand packte Maria am Fußgelenk und zerrte so heftig daran, dass sie das Gleichgewicht verlor und stürzte. Sie kam nicht mal dazu, einen Schmerzensschrei loszuwerden, denn das, worauf sie fiel, war so gruselig und merkwürdig und erschreckend, dass ihr der Schrei im Hals stecken blieb. Sie fiel nämlich auf einen weichen, wuselnden Teppich aus krabbelnden Körpern.
Marias Verhältnis zu Spinnen war nach einem halben Jahr in Sumpfloch einigermaßen entspannt. Einigermaßen bedeutete: Kleine Spinnen fand sie in Ordnung. Große Spinnen versuchte sie zu ignorieren und nicht zu sehen. Sehr große, pelzige Spinnen, die versehentlich über sie krabbelten, verursachten bei ihr Lähmungserscheinungen und anschließende Würgeattacken, wenn die Gefahr vorüber war. In diesem akuten Fall war die Gefahr alles andere als vorüber. Mindestens dreißig sehr große, pelzige Spinnen mit prall gefüllten, fetten Leibern krabbelten über, unter, neben und um Maria herum. Maria verfiel also in ihren Zustand der Lähmung, während sich rund um sie herum ein markerschütterndes Gekreische und Geschrei erhob. Denn Bande hin oder her, eine Monsterspinnenattacke im Dunkeln kann auch den tapfersten Fiesling aus dem Konzept bringen. Mit einer Stimme, die entfernt an das Geschrei eines Babys mit Blähungen erinnerte, krähte Lorren Krug:
„Scheiße, was ist denn daaaaaas?“
Es waren Spinnen, die zubissen, wenn man ihnen blöd kam. Und natürlich kam man den Spinnen blöd, wenn man zappelte und trampelte und sich schüttelte und im Dunkeln herumrannte, um die Viecher loszuwerden. Nur Maria wurde nicht gebissen, denn die war ja gelähmt. Vor Schreck und vor Staunen.
„Verdammte … KAAAAAACKEEEE!“
Das Spielzeug war vergessen. Die Bande kämpfte, schlug um sich und floh, einer nach dem anderen. Dabei flogen sie übereinander, schlugen sich Köpfe, Knie und Hände auf und fluchten und jammerten, dass man es bestimmt bis in den Trophäensaal hörte.
Maria blieb die ganze Zeit liegen, wo sie war. Das Gute an ihren Lähmungserscheinungen war, dass sie halfen. Die Spinnen überquerten sie und setzten ihre geheimnisvollen Wege jenseits von Maria fort, sodass bald nichts mehr auf ihr krabbelte, und die Lähmung allmählich nachließ. Kaum konnte sich Maria wieder bewegen, setzte das Würgen ein. So hockte sie auf ihren Knien, hustete und würgte
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