Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
hängen sie in Käfigen auf, als natürliche Laternen. Aber die Gelichter jammern und wehklagen, wenn sie länger als einen Tag eingesperrt sind, das geht einem vielleicht an die Nerven! Deswegen lassen die Unholde sie immer ganz schnell wieder frei. Guck mal, hier geht’s abwärts. Der Tunnel ist eine Abkürzung!“
Thuna bückte sich und tastete im Dämmerlicht des Waldes den Untergrund ab. Ja, da war ein Loch. Es war groß genug für Rackiné, aber Thuna würde sich hineinquetschen müssen. Dabei konnte sie doch Räume ohne Fenster kaum ertragen!
„Muss das sein?“, fragte sie. „Womöglich bleibe ich da drin stecken?“
„Ist ’ne Abkürzung, wie ich schon sagte. Wenn wir den Tunnel nicht nehmen, brauchen wir drei Tage.“
„Du willst mir nicht erzählen, dass man durch diesen Tunnel kriecht und in fünf Minuten an einen Ort kommt, der drei Tagesmärsche von hier entfernt liegt?“
„Doch. Nur dass es zehn Minuten sind.“
„Rackiné, das ist doch Unsinn.“
„Nein. Hier gibt’s lauter so Tunnel. Die Wege wären sonst viel zu weit!“
„Ist das wirklich wahr, Rackiné?“
Thuna fragte es streng und es fiel ihr auch gar nicht schwer, ihre Frage scharf und schneidend klingen zu lassen, denn sie war in Panik vor dem Tunnel.
„Ja, ich schwöre! Und jetzt komm endlich.“
Schwupp, schon war der Hase im Loch verschwunden. Jetzt hatte Thuna keine andere Wahl mehr, denn ohne Rackiné hätte sie nie wieder nach Hause gefunden.
Im Inneren des Tunnels war etwas mehr Platz, doch Thuna musste auf allen Vieren kriechen, so niedrig war die Decke. Ihr Herz pochte, sie hörte es laut in ihren Ohren, und sie atmete schnell ein und aus, vor lauter Angst, in dieser Dunkelheit nicht genug Luft zu bekommen. Von dem schnellen Atmen wurde ihr schwindelig und sie musste anhalten und sich an die Wand drücken, um ihre Sinne zu sortieren. Bei der Gelegenheit merkte sie, dass ihr der Schweiß aus allen Poren strömte.
„Kommst du?“, hörte sie den Hasen rufen.
Dieser Hase! Natürlich rannte er in zehn Minuten durch diesen endlosen Tunnel. Aber Thuna war größer und schwerer als ein Hase und auf allen vieren rannte es sich nicht so gut. Sie atmete tief durch und kroch weiter. Warum war sie nur auf diese hirnverbrannte Idee gekommen? War doch klar, dass Rackiné sie in Schwierigkeiten brachte!
Ein schmatziges Schlurchen in unmittelbarer Nähe ließ Thuna zusammenfahren. Oder war es ein schlurchiges Schmatzen? Es klang jedenfalls so, als würde ein sehr schneller, glitschiger Wurm einen weltrekordverdächtigen Slalom durch die Löcher einer Flöte absolvieren, rein, raus, rein, raus und jedes Mal schnalzte der schlurchige Wurm (wenn es einer war) auf schmatzende Weise. Thuna hielt inne wie versteinert und lauschte in die Dunkelheit.
Jetzt war es unmittelbar an ihrem Ohr! Schlutz-schlurch-schnalz! Stille. Schlutz-schlurch-schnalz! Stille. Thuna wusste nicht, ob sie schreien, losheulen oder wie eine Schnecke in Todesangst um ihr Leben kriechen sollte. Unschlüssig, wie sie war, tat sie nichts von alldem, sondern horchte, weiterhin versteinert.
Dann ging ein Licht an. Und was für ein Licht! Es war ein überaus winziges blaues Laternchen, das von einem Wicht, der gerade Kopf und Hand aus der Wand steckte, in die Höhe gehalten wurde. Der Wicht war so klein, dass er in einer Walnussschale hätte Boot fahren können.
„Ich bin so aufgeregt!“, rief er. „Ich bin so aufgeregt!“
Thuna zweifelte an ihrem Verstand. Dann kam es wieder, das Geräusch: Schlutz-schlurch-schnalz! Stille. Schlutz-schlurch-schnalz! Stille.
Im schwachen Licht des blauen Laternchens sah Thuna, wie sich ein weiterer Wichtkopf aus der feuchten Erde grub und – zack – eine Laterne ins Innere des Tunnels hielt, ebenso winzig wie die andere. Sofort erglühte im Inneren der Laterne ein blaues Licht.
„Ooooh!“, sagte der Wicht und schaute Thuna bewundernd an.
Jetzt konnte Thuna auch erkennen, dass überall Wurzeln in den Tunnel ragten. Zu ihrem Entsetzen entdeckte sie weitere Augenpaare zwischen den Wurzeln. Die dunklen Knopfaugen einer sehr kleinen Maus, die ausdruckslosen Augen eines metallisch grünen Käfers und die schillernden Augen eines Geschöpfes, das mit den Elfen verwandt war, doch unterirdisch lebte. Daher war es grau bis farblos. Es hatte Flügel und ein freundliches, kleines Gesicht.
Thuna gewann mehr und mehr den Eindruck, dass sie eine große Sehenswürdigkeit darstellte. Denn die Geschöpfe mit und ohne
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