Die Sumpfloch-Saga Bd. 2 - Dunkelherzen und Sternenstaub
Gedanken anderer Menschen schwimmen? Weil du von einer Art bist, die aus so feinen Bestandteilen besteht, dass dein wahres Wesen sich auflösen kann in Gedanken und Wasser und im Sternenlicht. Du wirst das noch lernen. Du und ich, wir sind in gewisser Weise verwandt.“
Rackiné gab einen lauten Seufzer von sich. Ob es stolze Bewunderung war, die ihn dazu veranlasste, oder der blanke Neid, das wusste er selbst nicht. Vielleicht war es beides.
„Ich glaube, das ist ein Missverständnis“, sagte Thuna. „Ich kann das alles nur, weil ich aus einer anderen Welt stamme. Ich gehöre hier gar nicht her. Ich bin sogar allergisch gegen Gegenstände, die magikalisches Fluidum speichern!“
„Natürlich“, sagte das Nebelfräulein. „Das bin ich auch.“
Thuna wollte dem Nebelfräulein gerne glauben, aber allmählich wurde es ihr zu merkwürdig.
„Das verstehe ich nicht“, sagte Thuna. „Warum soll das natürlich sein?“
„Wir sind wie ein Gewässer, in dem lauter silberne Fische schwimmen“, erklärte das Nebelfräulein. „Die silbernen Fische bewegen sich still und vollkommen. Wenn einer ein Netz ins Wasser hält mit großen Maschen, so schwimmen die Fische einfach hindurch. Es macht ihnen nichts aus. So geht es uns mit dem magikalischen Fluidum, das diese ganze Welt durchdringt. Es schadet uns nicht, aber es nützt uns auch nichts. Wird nun das Fluidum in einem bestimmten Gegenstand konzentriert, so ist es, als ob das Netz, das ins Wasser gehalten wird, ganz kleine Maschen bekommt. Die Fische können nicht mehr hindurchschwimmen, sie bleiben darin hängen. Und was machen Fische, wenn sie in einem Netz hängen bleiben?“
„Sie zappeln.“
„Ja“, sagte das Nebelfräulein. „Und zwar gewaltig. Das ist die allergische Reaktion und eine Gefahr, vor der du dich hüten solltest: Sternenlicht dringt in dein Wesen ein und erfüllt dich mit Kraft. Sammelst du es an, so wie ich es dir beschrieben habe, kannst du es gezielt verwenden. Aber hüte dich vor konzentriertem magikalischem Fluidum – es greift dich an und setzt dich fest, so wie das kleinmaschige Netz die silbernen Fische. So hat die böse Cruda vor langer Zeit alle Feen eingefangen und versklavt.“
Thuna wusste nicht, was sie sagen wollte. Zu seltsam klang das alles.
„Für heute will ich dir so viel sagen, Thuna: Die Feen sind verschwunden, so wie der abnehmende Mond langsam vom Himmel verschwindet. Doch was macht der Mond, wenn er verschwunden ist? Er kommt wieder. Ich warte schon eine lange Zeit auf die Rückkehr der Feen. Sie brauchten jemanden, der sie hierherbringt. Einen Menschen, der diese Welt betreten kann und das Feenlicht in sich trägt. Dieser Mensch bist du, Thuna. Es gab schon einmal einen Menschen, der die Feen in diese Welt gebracht hat. Auch sie war ein Erdenkind. Weißt du, wie sie hieß?“
Thuna wusste es nicht.
„Sie hieß Estherfein“, sagte das Nebelfräulein. „Nun geh wieder nach Hause, Thuna. Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr es vor Einbruch der Dunkelheit schaffen! Du musst aber keine Angst haben. Selbst wenn es Nacht wird, hier im Wald, wirst du sicher sein. In diesem Wald wird dir keiner etwas tun!“
Wie Thuna den Weg nach Hause zurücklegte, wusste sie später kaum noch. Da war wohl wieder ein Tunnel, aber ein anderer als zuvor. Solche Tunnel konnte man nämlich nicht nach Belieben vorwärts und rückwärts durchqueren, erklärte ihr Rackiné. Die Richtung spielte immer eine entscheidende Rolle. Thuna fragte nicht nach, sie folgte ihm einfach, und irgendwann erreichten sie den Waldrand und das Tor zum Garten. Die Sonne war schon untergegangen, doch der Himmel war noch hell. Schon jetzt kam Thuna das Erlebte wie ein Traum vor. Rackiné war der einzige, der bezeugen konnte, dass es wirklich geschehen war. Aber er wollte nicht mit ihr durch das Tor in den Garten gehen.
„Ich bleib noch ein bisschen im Wald“, sagte er. „Hab gerade keine Lust auf Schubladen und Scarletts bösen Blick.“
„Sie hat keinen bösen Blick!“
„Hat sie wohl. Mach’s gut, Fee, ich komm dann wieder, wenn ich Heißhunger auf Monster-Stiefmütter habe. Kannst du Maria sagen. Machst du das?“
„Nur, wenn das nicht alles ist!“
„Na, gut“, sagte der Hase etwas unwillig. „Sag ihr meinetwegen, dass ich sie lieb habe.“
„Hast du doch auch, oder?“
„Schon. Aber ich sag’s nicht gerne.“
Rackiné machte kehrt und lief in den Wald zurück. Die Dunkelheit, die ihn verschluckte, war für Thuna ein einziges, großes
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