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Die Tänzer von Arun

Titel: Die Tänzer von Arun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Fluß?«
    »Wenn wir die Flußstraße nehmen würden, dann müßten wir in jedem Nest zwischen Tezera und Elath tanzen. Aber so geht es rascher.« Ihre Stimme klang gedrückt. Ein leises Summen, kaum vernehmbar, drang aus den Kornfeldern. Wie eine Stimme, dachte Kerris, es ist der Wind zwischen den Weizenhalmen. Die hohen Stengel zu beiden Seiten des Pfades flüsterten und sangen. Der Wind drückte sie in breiten rhythmischen Schwüngen nieder – wie das Streicheln einer riesigen Hand war das.
    »Also los!« sagte Cal.
    Sie tauchten in das goldene Meer. Das Land schien kaum Notiz von ihnen zu nehmen, und dennoch hatte Kerris beständig das Gefühl, daß man sie ganz genau beobachtete und prüfte. Auf Tornor hatte er Kaufleute über Galbareth reden hören, wie wenn es sich dabei um ein Lebewesen handelte. Er hatte das nicht begriffen. Jetzt verstand er, warum. Sie kamen an Pferden vorüber, die auf einem brachgelassenen Feld Gras zupften. Die Tiere hoben die Köpfe und blickten mit feuchten, schimmernden Augen hinter den Reitern drein. Krähen flogen über ihre Köpfe hinweg, und weiter droben im indigoblauen Himmel schwangen sich Bussarde in ihren tödlichen Jagdkreisen durch die Lüfte. Von Pfählen flatterten kunterbunte Bänder. Sie begegneten zwei Frauen mit Strohhüten und langen Kleidern. Die eine richtete sich auf und spähte ihnen nach. Ihr Gesicht war von der Sonne verbrannt, die Augen blitzten schwarz wie eine Krähenschwinge. Sie sprach keinen Gruß.
    Gewitterwolkenbäume türmten sich nachmittags im Westen empor. Der Wind frischte auf. Hagelgrau und amethystfahl rollten die Wolken auf sie zu. Der Chearas hielt an, um zu beraten. Cal schaute besorgt drein. »Ich bezweifle, daß wir irgendwo Unterschlupf finden«, sagte er. »Im Galbareth haben die Häuser die Neigung, herumzuwandern, so daß Bauernhöfe, von denen du geglaubt hast, sie lägen dicht vor dir, auf einmal zwei Felder weiter weg sind.«
    »Vielleicht hat sich das Gewitter leergeregnet, bevor es uns erreicht«, sagte Elli.
    »Wir reiten direkt in das Unwetter hinein«, erklärte Cal.
    Sie zogen weiter. Der Himmel verfinsterte sich. Regentropfen sickerten vereinzelt aus dem Himmel, wie wenn sie durch ein Siebtuch gedrückt würden. Blitze zuckten von Wolke zu Wolke. Die Pferde schauderten vor dem angrollenden Donner zusammen. Kerris verschnürte seine Tunika fest um den Hals. Das Getreide zischte, es war ein furchteinflößender, ein boshafter Laut. Etwas huschte unter den Hufen von Jensies Reittier hinweg über den Pfad. Ihr Pferd bockte, und sie bedachte es mit Flüchen.
    »Halt!« Ilene hatte es gerufen. Sie deutete nach Südwesten. »Der Wind mäht das Korn nieder – ich habe geglaubt, ich habe eine leere Stelle gesehen. Das könnte eine Scheuer sein.«
    »Und es könnte eine Einbildung sein«, sagte Cal. Er blickte Riniard an. Der Rotkopf zuckte die Achseln und kaute auf der Unterlippe herum. »Wie weit entfernt war es?«
    »Nicht weit«, sagte Ilene. »Der Weg geht direkt darauf zu.« Sie deutete auf einen Einschnitt in der Kontur der Weizenfelder. Ein schmaler Steig führte nach rechts ab.
    Cal, Kel und Riniard besprachen sich untereinander. Am Ende führte Cal sie vom Hauptweg fort auf den schmalen Seitenweg. Wütend spuckte Galbareth ihnen Staub ins Gesicht, wie eine riesenhafte Katze, die man aus dem Schlaf aufgeschreckt hat.
    Die Pferde bockten und mußten am Halfter geführt werden. Im Gänsemarsch gingen sie durchs Korn. Staub hieb geißelnd auf ihre Augen ein und schrundete ihnen die Kehlen auf. Blitze sprangen über ihnen hin und her. Die Luft selbst roch sengend und verbrannt.
    »Hierher!« schrie Cal. Kerris führte Magrita aus dem schmerzenden Peitschenhagel der Getreidehalme heraus. Er blickte sich nach einer Scheune um, aber da war keine, nur die Erde und ein paar Holzfragmente, die zu einer kreisförmigen Lichtung im Getreidemeer geformt waren.
    Und dann brach das Gewitter los.
    Der Regen war kalt. Sie zitterten vor Kälte unter ihm. Kerris hörte Jensie fluchen. Er kroch unter der Nässe in sich zusammen. Die Welt zerfloß, verschwamm, löste sich auf, verschwand. Er war allein und verloren in einem Land, das er nicht kannte, die Menschen um ihn herum waren wesenlose Schatten, Gespenster – Fremdlinge. Er kannte sie nicht. Er wußte nicht, wo er sich befand. Er war klein, und er war allein. Die Berge waren verschwunden, und er war in der Irrsal ohne sie. Seine Hand krampfte sich schmerzend um Magritas Zügel. Er hatte

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