Die Tänzer von Arun
chelito. Wenn die unruhigen Zeiten vorbei sind, werde ich vielleicht aus Elath weggehen, und dann werden wir vielleicht zusammen nach Kendra-im-Delta reiten.«
Ein Schatten fiel über das Gras. »Du und aus Elath fortgehen? Das ist wenig wahrscheinlich.« Kerris schaute auf, die Hand schattend über die Augen gelegt. Die Arme unter ihren Brüsten gekreuzt, stand hoch eine Frau vor ihnen. Ihr Haar war lang und dunkel und hing wie eine Wolke um ihr Gesicht. Sie trug ein hellgrünes langes Kleid, das in der Taille mit einem Kupfergurt gerafft war.
Sefer stellte vor: »Kerris, dies ist Tamaris. Sie unterrichtet Gedankenheben. Außerdem gehört sie zum Rat. Was macht Tazia, Tam?«
Tamaris brummte: »Heut morgen ist sie ein kleiner Dämon. Sie bekam einen Wutanfall, weil ich ihr nicht erlaubte, mit Ardith zum Kamm hinaufzugehen. Er wollte den Wachtposten Verpflegung bringen. Ich ließ sie sich austoben; jetzt schläft sie. Du stiehlst mir doch nicht meine Schüler weg, Sefer? Ich hatte mir vorgenommen, den Rest des Morgens hindurch mit Korith zu arbeiten, und wo finde ich ihn? Hier!«
»Nein, ich stehle sie dir nicht«, entgegnete Sefer. Er machte seinen Ärmel aus dem Griff des Jungen frei. »Korith, geh mit Tamaris.«
»Aber ich wollte doch, daß du mir zuschaust!« sagte der Junge drängelnd.
Sefer seufzte. »Also gut, chelito. Ich schaue zu. Zeig mir, was du kannst!«
Korith schloß die Augen. Seine dünnen Nüstern blähten sich. Kerris' Sichtfeld wurde unscharf. Er blickte auf ein Feld, auf einen Pfahl aus Holz. Um den Pfahl waren Bänder geschlungen. Sie hingen schlaff und bewegungslos in der windstillen Luft. Das Korn stand in langen Reihen, träumte von Sicheln und Darröfen. Plötzlich zuckten die Bänder und begannen zu rascheln. Vier aufgeschreckte Raben stoben aus dem Korn hervor. Vorsichtig zogen sie Kreise um die tanzenden Bänder.
»Hast du's gesehen!« sagte Korith.
»Ich hab's gesehen, ja«, sagte Sefer. »Das war sehr gut.«
Tamaris sagte sanft. »Korith, du darfst nicht dermaßen hartnäckig sein, man könnte dich für ungehobelt halten!«
»Oh? War ich das?« fragte Korith. »Inanu?« – das Wort bedeutete »Onkel« in der Südlandsprache – »war ich wirklich unhöflich?«
Sefer gab ihm keine Antwort. Seine Augen blickten glasig und wie erloschen. Sein Gesicht zuckte, wie das eines Fiebernden. Die Lippen bewegten sich. »Ja«, murmelte er. »Ja.« Er atmete tief und schwer ein. »Ich werde es ihr sagen.« Er hob das Gesicht und blickte zu den sonnenüberströmten Hügeln hinauf.
10. Kapitel
Die Haare in Kerris' Nacken sträubten sich.
Er blickte zu Tamaris, die aufmerksam Sefer ansah. Korith hockte kniend auf den Fersen, die Hände im Schoß verkrampft. Diese Haltung verwandelte ihn aus einem Otter in ein Eichhörnchen. Wieder begann Sefer zu murmeln. Das sonst so lebendige Gesicht war ausdruckslos. »Sefer?« fragte Kerris leise. Der Kopf des Meisters bewegte sich nicht. Kerris griff nach Sefers Schulter, um ihn aus seinen Fesseln loszureißen.
Tamaris' Hand schloß sich um sein Handgelenk. »Laß ihn allein!« befahl sie leise. Die Hand war kühl. »Er empfängt eine Botschaft.«
So muß ich auf Tornor ausgesehen haben, dachte er. Seine Nerven schrillten.
Sefer schüttelte sich schaudernd. Die Augen konzentrierten sich wieder. Er preßte die Hände an die Wangen, als brennten sie, und ließ sie dann in den Schoß sinken. Er räusperte sich. »Das war Beria auf dem Kamm.«
Kerris wußte nicht, wer Beria sein mochte. »Was hat sie gesagt?« fragte Tamaris.
»Ein Bote ist von den Asech gekommen. Nicht die Frau, nicht Thera, sondern ein Mann. Seinen Namen hat er mit Nerim angegeben, und er sprach mit einem starken Akzent. Beria sagte, man hat ihn kaum verstehen können. Er kam mit einer grünen Fahne. Er sagte, daß die Asech morgen ihr Lager abbrechen und ins Dorf kommen werden. Er bat, diese Botschaft an Lara weiterzugeben.«
Tamaris Hand krallte sich in ihr Kleid. »Wie viele werden kommen? Alle? Oder nur die vom letzten Überfall?«
»Das wußte Beria nicht.«
»Wir müssen es Dorin sagen. Und Kel.«
»Ja«, sagte Sefer. Er nahm sein Stirnband ab, wischte sich die Stirn mit dem Ärmel der Tunika und steckte das Kopfband in die Tasche.
Kerris fragte: »Gab es in der Botschaft irgendwas über Riniard?«
»Nein«, antwortete Sefer.
Korith sprang auf. »Ich sag es Lara«, keuchte er atemlos, die dunklen Augen groß vor Erregung.
»Nein!« Sefers kurzer Ruf ließ den
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