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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Neues, wirklich, dasselbe wie immer.« Gersch sieht auf einmal erschöpft aus. »Aber dann hat er mir noch das hier gegeben.« Er hält ihnen ein mit Schreibmaschine beschriebenes Blatt Papier hin.
    Zoja nimmt es ihm schnell aus der Hand, und Nina und Viktor lesen über ihre Schulter gebeugt mit. Es handelt sich um eine Mitteilung des stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Kunst und Kultur. »Unter Federführung des Ministerrats der UdSSR« ist Gersch aus dem Komponistenverband ausgeschlossen worden.
    Zoja schüttelt den Kopf so heftig, dass ihre Locken erzittern. »Das ist bestimmt wegen deiner Aussage über den Belcanto. Das muss es sein.« An Nina und Viktor gewandt, erklärt sie: »Er kann es einfach nicht lassen – ihr wisst doch, wie sehr er Rossini und das ganze Zeug liebt.« Ihr Tonfall ist traurig, aber sachlich. Wesentlich strenger und forscher richtet sie sich an Gersch: »Ich habe dir doch gesagt, dass du diese Donizetti-Platten loswerden sollst.«
    »Jawohl, gnädige Frau.«
    Aber Zoja sieht weniger wütend als vielmehr wachgerüttelt aus: »Es ist garantiert nur ein Missverständnis. Keine Angst, das lässt sich schon wieder geradebiegen.«
    Erstaunlich, dass sie sich vor nichts zu fürchten scheint und sich durch nichts entmutigen lässt. Selten wirkt sie auch nur das kleinste bisschen verwirrt von all dem, was um sie herum geschieht. Nina dagegen haben in letzter Zeit so viele Dinge durcheinandergebracht. Nicht nur, dass mit Gersch jetzt so hart umgesprungen wird. Nina dachte immer, sie würde die Menschen in ihrem Leben kennen, und wüsste, wem sie trauen kann, aber seit einiger Zeit erscheint es ihr unmöglich, zu ahnen, was andere Menschen tun und denken. Als Polina ihnen vor einem Monat in Berlin erzählt hat, dass sie aufgefordert wurde, Berichte zu schreiben … Und der Zettel von der Frau aus demTrödelladen. Sollte Nina diese Information an Polina und Vera weitergeben? Oder war sie aus irgendeinem Grund ausgewählt worden – sah sie aus wie eine Person, die diese Information brauchen oder wollen könnte? Haben ihre Augen das verraten? Sah sie bedürftig aus oder etwa wissend? Zum hundertsten Mal fragt sie sich, ob Vera und Polina auch jede so einen kleinen Zettel bekommen haben. Schließlich hat Nina ihren einfach ganz eng zusammengerollt und in einem Fach ihres Schminkkoffers in die hinterste Ecke gesteckt, da sie sich nach Polinas Geständnis noch weniger traute, ihn jemandem zu zeigen.
    Darüber hinaus hatte sich herausgestellt, dass die Frau, die ihnen gefolgt war, eine ihrer zugewiesenen Begleiterinnen war, eine Ostdeutsche namens Bergit, die dem Komsomol-Vertreter meldete, dass die drei sich außerhalb der vorgeschriebenen Grenzen bewegt hatten. Sie wurden daraufhin vor dem Rest der Truppe für das Verlassen des vorgegebenen Gebiets ausgeschimpft und bekamen dann noch vom Ensembleleiter einen Vortrag gehalten, in dem er sie daran erinnerte, dass es alles, was sie brauchten, auch im demokratischen Sektor zu kaufen gab und dass sie von bösen Kapitalisten hätten entführt werden können. Nina, Polina und Vera mussten sich also vor der versammelten Gruppe aufstellen und erklären, dass ihr Verhalten furchtbar fehlgeleitet gewesen war und sie erleichtert waren, wieder sicher zurück innerhalb der sowjetischen Grenzen zu sein, und sie es nie wieder riskieren würden, sich außerhalb der demokratischen Welt zu bewegen.
    Das Ganze war so verlogen und kleinlich – nach allem, was sie nur zwei U-Bahn-Stationen entfernt gesehen hatten. Bestimmt kannten auch einige der anderen die Wahrheit. Und doch war es, wie Polina sagte: Man müsste verrückt sein, um zu fliehen, warum sollte man es auch nur versuchen?
Sie finden dich, und dann brechen sie dir die Beine.
    Gerade schlägt Zoja Gersch vor, einen Entschuldigungsbrief zu verfassen, der die ganze Sache vielleicht bereinigen könnte. »Ich helfe dir natürlich dabei. Ich bin gar nicht so schlecht im Schreiben.« Sie sieht sich noch einmal die Mitteilung an und sagt: »Ich frage mich, ob Stalin selbst das hier gesehen hat.«
    Sie klingt beinahe ehrfurchtsvoll. Immerhin ist sie eine glühende Anhängerin des Großen Führers. An die Wand, an der bis vor kurzem nur ein kleiner ovaler Spiegel hing, hat sie einen gerahmten Ausschnitt aus einem Zeitungsartikel gehängt, der letztes Jahr in der
Prawda
erschienen ist:
     
    Wenn du auf Schwierigkeiten stößt und Zweifel an deiner eigenen Stärke hast, denke an ihn, an Stalin, und du wirst

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