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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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den Kopf.
    Zoltan nickte: »Dieses Land ist sehr gut zu mir gewesen. Aber hier fehlt der Abdruck meines Körpers auf der Matratze, wenn ihr versteht, was ich meine.«
    »Ja, nun, meiner fehlt aber ebenso, da bin ich mir sicher«, erwiderte Grigori.
    Evelyn lachte: »Ihr seid vielleicht zwei Egozentriker.«
    »Egozentriker!«, gab Zoltan zurück. »Ich habe mich übrigens die ganze letzte Woche in der großartigen Gesellschaft eines Egozentrikers befunden. Ich lese gerade die Memoiren von Berlioz. Das nenne ich mal ein Ego.«
    Er begann, von dem Buch zu erzählen, doch Evelyn entschuldigte sich: »Ich möchte wirklich nicht unhöflich sein, aber meine Füße erfrieren. Redet ihr ruhig weiter. Ich muss mich mal dahin begeben, wo der Teppich ist.«
    Grigori fiel nun auf, dass sie zitterte. »Du armes Ding«, sagte Zoltan. »Geh und wärm dich auf.«
    Grigori sah Evelyn zu, wie sie in Richtung Kamin verschwand, und sofort wurden in ihm wieder Selbstvorwürfe laut; er sollte sie wirklich begleiten. Ohne ihre schicken Stiefel sah sie so klein aus. Dafür gab er sich selbst so sehr die Schuld wie Roger und Hoanh. Wie musste es sich anfühlen, wenn jemand so leicht und bereitwillig wie er zustimmte, »es langsam angehen zu lassen«? Aber er versuchte ja schließlich nur, vorsichtig zu sein und nichts zu überstürzen.
    Natalie Thierry, eine der Soziologinnen, hatte sich zu ihnen an den Getränketisch gestellt, und Zoltan erzählte den beiden von Berlioz’ frühen, unbeständigen Liebesgeschichten, bis Grigori aufhörte, dem Gespräch zu folgen. Er stellte fest, dass er an Drew Brooks dachte. Sie hatte ihn am Tag zuvor angerufen. Grigori tat es leid, dass er die Nachricht erst erhalten hatte, als die üblichen Bürozeiten längst vorbei waren. Die Stimme auf dem Band war warm und gesprächig gewesen:Sie sagte, sie habe sich schon früher melden wollen, doch diese Woche sei sie so beschäftigt gewesen; sie war ein paar Tage in den Urlaub geflogen und sei nun immer noch dabei, alles aufzuholen … Grigori mochte ihr selbstbewusstes Auftreten, ihre Energie und ihre Ausgeglichenheit. Ihm gefiel es, dass Drew anrief, statt ihm eine E-Mail zu schicken, dass sie nicht wie so viele jüngere Leute dieser Tage Angst davor hatte, ihr Anliegen einer menschlichen Stimme vorzutragen. »Ich habe Ihre Übersetzungen gelesen«, hatte sie in ihrer Nachricht auf dem Anrufbeantworter gesagt und dabei wahrhaftig interessiert geklungen. »Ich würde mich sehr gern mit Ihnen darüber unterhalten.«
    Erleichterung überkam ihn. Nachdem er zwei Wochen lang nichts von ihr gehört hatte, begann er sich zu fragen, ob er ihr nicht zu viel aufgebürdet hatte, als er ihr das Buch auslieh; vielleicht fühlte sie sich nun verpflichtet, es ganz durchzulesen, bevor sie sich wieder bei ihm meldete. Oder sie hatte versucht, die Gedichte zu lesen, konnte aber nicht genug Interesse dafür aufbringen. Oder sie gefielen ihr ganz einfach nicht.
    Aber immerhin hatte sie Nina Rewskajas Leben und den Erinnerungsstücken daraus im letzten Monat einen großen Teil ihrer Zeit gewidmet. Es war kaum verwunderlich, dass Viktor Elsins Gedichte eine gewisse Faszination auf sie ausübten. Während er die Unterhaltung seiner Kollegen mit zustimmendem Nicken begleitete, fragte sich Grigori, wie sie wohl reagieren würde, wenn er ihr einfach die Wahrheit erzählte: über die Kette, über die Gedichte und über die Briefe und Fotografien aus der Kunststoffhandtasche. Er könnte ihr einfach alles für den Katalog oder die Broschüre überreichen, oder woran auch immer sie gerade so hart arbeitete. Sie hatte schließlich die Gedichte gelesen. Vielleicht fände sie es spannend, zu sehen, wie die Gedichte und die Briefe zusammenpassten.
    Nein, nein … Aber andererseits, warum denn eigentlich nicht? Er könnte sie besuchen und es ihr zeigen. Aber warum sollte sie sich dafür interessieren? Das tat ja auch sonst niemand … Und doch hatte er plötzlich das Gefühl, dass sie es vielleicht tun würde.
    Grigoris Kollege Bill Muir war auf ihn zugetreten und versuchte ein Gespräch anzuknüpfen. Es war die übliche Plauderei; geradeschüttelte er den Kopf über das letzte Ultimatum des Präsidenten. »Sie haben angeblich damit begonnen, ihre Raketen auseinanderzunehmen«, gab Grigori optimistisch zurück, wenn auch nur aus dem missgünstigen Bedürfnis heraus, Bill zu widersprechen. »Vielleicht lässt Hussein seinen Versprechungen ja doch endlich einmal Taten folgen.«
    »Klar. Und die Sox

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