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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Besonders deutlich wurde es in der dritten Strophe, die so schnell dahinschwand und deren Verse sich so deutlich verkürzten, als wären am Ende keine Worte mehr übrig gewesen – oder keine Zeit. Zu dieser Erklärung deutete er auf die betreffende Stelle im Buch und berührte dabei zufällig Drews Arm, was ihm eine angenehme Empfindung bescherte.
    »Und dieser zweite Abschnitt ist ja fast wie ein Haiku«, fuhr sie fort.
    »Damit hatte ich meine Schwierigkeiten«, gab er zu. »Ich musste mich entscheiden, ob die Spinne oder das Spinnennetz riesig sein soll.«
    »Ein großes Netz, das ihn gefangen hält.« Sie schaute zu ihm auf.
    »Oder vielleicht verkörpert die Spinne selbst ein allmächtiges, drohendes Übel«, gab Grigori zurück.
    Drew fügte hinzu: »Der Tau, der direkt im Anschluss an die weinenden Kiefern erscheint, erinnert mich an Tränen. Und im letzten Abschnitt tauchen dann ja auch wieder Tränen auf.« Sie schwieg kurz nachdenklich. »Denken Sie, den Zensoren erschien das irgendwie subversiv?«
    »Ich habe bislang keinen schriftlichen Nachweis für eine solche Anklage entdeckt. Aber wenn man nach subversiven Gedanken sucht, kann man sie hier durchaus finden. Dieser Vers hier zum Beispiel: ›Immer bereit‹ war das Motto der Jungen Pioniere. Das war die kommunistische Jugendorganisation, der alle Kinder beitreten sollten.«
    »Wie die Pfadfinder. Die verwenden dieselbe Losung.«
    »Genau. Wenn er also schreibt: ›Man ist niemals bereit‹ –«
    »Könnte das eine Anspielung sein auf –«
    »Oder auch nicht. Aber auf jeden Fall hat er es so und nicht anders geschrieben.« Grigori bemerkte, dass er schon wieder nickte, vor lauter Freude darüber, endlich eine Verbündete gefunden zu haben. War es das, war es dieses Gefühl, das er suchte, aber so schwer zu erreichen fand? Sogar Zoltan, dem sowohl seine Arbeit als auch seine Herkunft vertraut waren, fühlte Grigori sich nicht unbedingt
nahe
; er hatte Zoltan nie etwas wirklich Persönliches erzählt und auch nie den Drang danach verspürt. Und Evelyn betrachtete er zwar als Freundin, aber sie war für ihn nie zu einer wirklichen Gefährtin geworden. Er hatte bei der Party am Samstag fürchterlich versagt und war den ganzen Abend nicht in der Lage gewesen, sich zu sammeln; er hatte Evelyn hinterher vor ihrem Haus abgesetzt und ihr lediglich einen flüchtigen, vorsichtigen Kuss gegeben.
    »Auch das vorletzte Gedicht, ›Schwimmen bei Nacht‹«, setzte Drew gerade an. Sie blätterte eine Seite zurück. »Es scheint den Verlust von etwas zu beklagen … vielleicht von Unschuld, oder vielleicht vom Glauben an die Welt.«
    »Ja. An die Welt als einen guten und ehrlichen Ort.« Dies war der Augenblick. Grigori zwang sich, den Mut aufzubringen und ihr zu zeigen, was er einst dem furchtbar selbstgefälligen Segelohr gezeigt hatte. Er räusperte sich. »Ich habe da ein paar Briefe.«
    Drew sah mit ihren großen Augen auf, in deren tiefes Braun sich grüne Flecken mischten.
    Grigoris Herz pochte gegen seine Rippen. »Wenn Sie einmal Zeit finden, sie zu lesen, könnten Sie darin einige Parallelen zu den Gedichten entdecken«, fügte er hinzu, während er sich mit unablässigem Herzklopfen über seine Aktentasche beugte, um die zusammengefalteten Briefe und die abgetippten Übersetzungen herauszuholen.
    Er gab ihr zuerst die Originalbriefe. Sie berührte sie so vorsichtig, als könnten sie in ihren Händen zu Staub zerfallen. »Wer hat die geschrieben?«
    »Sie sind mit ›Für immer dein‹ unterschrieben; dieser hier mit ›Dein und nur dein‹. Aber aus gewissen Gründen nehme ich an, dass sie von Viktor Elsin stammen.«
    »Wirklich?« Ihre Augen wurden noch größer. Sie blätterte zurück zum Anfang des ersten Briefs. »Und wissen Sie, an wen sie adressiert sind?«
    Das Segelohr schüttelt den Kopf mit diesem schrecklich herablassenden Gesichtsausdruck. Dass Grigori sich tatsächlich schon so weit vorgewagt und sich getraut hatte, dieses Thema anzusprechen … Er kann sich kaum vorstellen, wie Drew wohl reagieren würde, wenn er behauptete, Nina Rewskajas Briefe zu besitzen. »Es heißt hier nur: ›Mein Liebling‹.«
    »Haben Sie sie Nina Rewskaja gezeigt?«
    Er atmete tief durch. »Ich habe es versucht. Sie wollte sie nicht sehen.« Grigori merkte, dass er dieselben Formulierungen wie sonst auch benutzte:
Die Erinnerungen könnten zu schmerzhaft für sie sein … kein Interesse an der Vergangenheit …
    Aber diesmal klang es falsch; es fühlte sich falsch

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