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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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atemlos: »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen. Was die Briefe und das Gedicht angeht. Die Beschreibungen des Bernsteins und des Waldes.«
    »Sie konnten es also auch erkennen?«
    »Sie passen genau zusammen. Nun ja, irgendwie zumindest. Das Bild ist jeweils nahezu dasselbe.«
    »Ich denke, Sie, also gut, hier« – er nahm die Fotografien vom Tisch auf – »ich hoffe, dass für Sie nun alles einen Sinn ergibt.« Er hätte ihr auch noch die Krankenhausurkunde zeigen können, doch sie lag noch im Safe. Und trotzdem, ihr diesen Teil über seine Eltern zu erzählen und zu berichten, wie seine Mutter ihm die Kunststoffhandtasche übergab … Es war sicher zu viel. Grigori fühlte bereits, wie ihn der Mut verließ.
    »Darf ich die Bilder sehen?«
    Eine stumme Panik ergriff von ihm Besitz: Wäre es nicht eine niederträchtige Handlung, sie ihr zu zeigen – und damit Nina Rewskaja hinter ihrem Rücken gleichsam bloßzustellen? Nein, beschloss er kurzerhand; solange Nina Rewskaja darauf beharrte, dass nichts von diesen Dingen ihr gehörte, waren diese Dokumente nichts als Relikte aus längst vergangenen Zeiten.
    Drew hielt die Fotos in ihren schlanken, gepflegten Händen. Beide Bilder waren leicht zerknittert, und Linien an den Ecken zeigten dieStellen an, an denen sie versehentlich geknickt worden waren. Aber die Motive darauf waren deutlich zu erkennen. Das erste Foto zeigte zwei Pärchen auf einem Kanapee, die entspannt und glücklich aussahen. »Das ist sie, nicht wahr?«, fragte Drew. »Sie sieht so elegant aus. Eigentlich hat sich ihr Gesicht kaum verändert. Es ist bloß … härter geworden. Älter.« Dann wollte sie wissen: »Ist das ihr Ehemann?«
    »Ja, das ist Viktor Elsin.« Er sah fröhlich und kraftvoll aus und saß mit einer Zigarette, die er lässig zwischen den Fingern hielt, an einem Ende des Kanapees. Neben ihm sah Nina Rewskaja mit ihrer kerzengeraden Haltung von Schultern und Hals beinahe steif aus. Ihr Lächeln war nur angedeutet und schien leicht verschmitzt.
    Auf ihrer anderen Seite saß der Mann, den Grigori schließlich als Aaron Gerschtein identifiziert hatte. Sein leicht schielendes rechtes Auge war ihm dabei behilflich gewesen. »Das hier war sein Freund, ein begabter Komponist.« Als Grigori damals in seinem ersten Jahr am College alles gelesen hatte, was er über Viktor Elsin ausfindig machen konnte, hatte er erfahren, dass einige die These vertraten, Elsins Verhaftung könnte mit der von Gerschtein zusammenhängen. Also hatte Grigori sich auch ausführlich mit Gerschtein beschäftigt und daraufhin erkannt, dass es sich bei dem Mann auf diesem Foto um ihn handelte. »Er hat Jahre der Verfolgung überlebt.«
    »Weswegen wurde er denn verfolgt?«
    »Oh, nur aus Antisemitismus. Nachdem achtundvierzig Israel gegründet wurde, hat Stalin beschlossen, dass er einen neuen Feind besaß. Er war alt und wurde immer paranoider, und natürlich war Israel mit den Vereinigten Staaten verbündet. Also hat er die Kampagne gegen die Juden in Gang gebracht. Das Ergebnis davon war, dass Menschen wie dieser Mann hier leiden mussten.«
    Auf dem Bild lachte er. An ihn lehnte sich eine wunderschöne Frau mit großen dunklen Augen. Grigori hatte etwas länger gebraucht, um herauszufinden, wer sie war. Erst nach ausführlichen Recherchen stieß er auf die Information, dass Gerschtein eine Frau geheiratet hatte, die ein aktives Parteimitglied war und beim Moskauer Amt für Bildung arbeitete.
    Während seiner Erläuterungen blieb Drews Blick wie gebannt auf die Fotografie gerichtet. »Es ist unglaublich«, sagte sie. »Als ob dasBild gestern erst entstanden wäre. Es sprüht geradezu vor Leben. Man kann es von ihren Gesichtern ablesen: Sie sind verliebt.« Sie sah bei diesen Worten ernst und traurig aus.
    »Beide Männer endeten im Gefängnis, wahrscheinlich nicht lange nachdem dieses Bild entstanden ist. Höchstens ein oder zwei Jahre später.« Grigori kam sich wie ein Spielverderber vor, als er dies sagte.
    »Und Nina Rewskaja ist übergelaufen.« Drew nickte nachdenklich. »Und diese Frau« – sie deutete auf die Frau neben Gerschtein – »wissen Sie, was mit ihr geschehen ist?«
    »Nein, aber durch ihre Beziehung ist sie selbst höchstwahrscheinlich auch zur Staatsfeindin erklärt worden.«
    Drew seufzte leise auf. Sie konnte kaum den Blick abwenden. »Sie ist so wunderschön.«
    Bevor er wusste, was er tat, hatte Grigori auch schon laut festgestellt, die Frau sähe Drew ein wenig ähnlich.
    »Das ist aber

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