Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
ein Kompliment!«
    Sein Herz pochte, als er die Freude in ihren Augen sah. Sie sah für einen Augenblick so aus, als wollte sie etwas sagen – doch dann schaute sie auf das zweite Bild. Dieses war unter freiem Himmel entstanden, vor einem Häuschen, das wie eine Datscha aussah. Es zeigte Nina Rewskaja, Viktor Elsin und eine andere Frau nebeneinandersitzend. Nina und Viktor sahen auf diesem Foto viel ernster aus, beinahe erstarrt, und unter ihren müde wirkenden Augen waren graue Schatten zu sehen. Die schlanke Frau mit dem langen Hals, die neben ihnen saß, lächelte jedoch breit und strahlend. Auf ihrer anderen Seite war noch jemand abgebildet gewesen, aber das Foto war so zurechtgeschnitten worden, dass nur ein Arm von ihm sichtbar war.
    »Jemand wollte den Kerl hier nicht auf dem Bild haben«, stellte Drew fest.
    »Ja, vielleicht gab es einen Rahmen, in den es sonst nicht hineingepasst hätte.«
    »Wissen Sie, wer diese Frau ist?«
    »Nein.« Er hatte versucht, es herauszufinden, hatte sich unzählige Fotografien angesehen, die in irgendeinem Zusammenhang mit Elsin und Rewskaja standen, aber auf keinem hatte er eine Frau entdeckt, die dieser hier glich.
    Drew betrachtete das Foto genauer. »Weiß man denn, was am Ende mit ihm passiert ist?«
    »Meinen Nachforschungen zufolge wurde Elsin in den Gulag Workuta gebracht und starb dort wenige Jahre später. Dort herrschten zweifellos elende Lebensbedingungen.«
    Drew besah die Fotografie noch einen Moment, ehe sie Grigori die Frage stellte, die er erwartet hatte: »Und Sie besitzen diese Bilder aufgrund Ihrer … familiären Verbindung?«
    Grigori gab seine vorbereitete Erklärung ab: »Es ist eine lange Geschichte, aber ich habe infolge einiger Ereignisse vor vielen Jahren die Handtasche einer Frau bekommen, in der sich diese Fotografien sowie die Briefe, die ich Ihnen gezeigt habe, befanden.« Er hielt kurz inne, bevor er hinzufügte: »Darin war auch der Bernsteinanhänger.«
    »Oh!« Und dann: »Aber wem hat die Tasche –«
    »Genau. Mir wurde gesagt, dass sie von einer Tänzerin stammte. Einer Frau, die –« Aber er konnte es nicht tun, konnte es nicht aussprechen. Warum nicht? Sag es einfach, Grigori, erzähl ihr, was du denkst. Doch er war ein Narr zu glauben, er könnte sich so einfach öffnen … »Die Mutter von einem Verwandten von mir war, der nach seiner Geburt adoptiert worden ist.« Er schloss die Augen, wütend auf sich selbst und seine Feigheit. »Diesem Verwandten ist erzählt worden, dass die Tänzerin, seine leibliche Mutter, gestorben sei.«
    Drew riss die Augen weit auf, und auch ihr Mund war leicht geöffnet. »Sie glauben … die leibliche Mutter – die Tänzerin …« Er konnte beinahe zusehen, wie ihr Gehirn arbeitete. »Deshalb wollten Sie sie ihr zeigen. Nina Rewskaja.«
    »Ich wollte, ja.«
    Drew dachte immer noch nach. »Und wenn ich sie ihr zeigen würde …«
    »Möglicherweise hätten Sie mehr Glück. Aber Drew, das ist nicht der Grund, weshalb ich sie Ihnen gezeigt habe. Ich wollte damit nicht erreichen, dass Sie das tun. Ich will Sie nicht dazu bringen, irgendetwas für mich zu tun. Ich hoffe, Sie wissen das. Ich wollte sie mit Ihnen teilen, weil ich das Gefühl hatte, Ihnen davon erzählen zu können. Ich – ich wollte, dass Sie wissen, dass ich sie habe und weshalb ich sie besitze.« Er fühlte sich jetzt schon verlegen. »Ich hatte angenommen,es könnte Sie interessieren, nachdem Sie sich so ausführlich mit der Auktion beschäftigt haben.«
    In ihrem Blick schien ein Fragezeichen zu liegen. Sie dachte immer noch nach, versuchte zu verstehen. O Grigori, warum sagst du ihr nicht einfach, dass du dieses Kind, dieser Junge bist?
    »Diese Auktion«, begann er, »ich fürchte, was sie in Gang gesetzt hat, war …« Er beschloss, mit seiner Erzählung im November, am zweiten Jahrestag von Christines Tod, einzusetzen. Doch was dabei aus ihm herauskam, war seine Trauer, die Erkenntnis, dass er Christine mehr geliebt hatte, als ihm selbst bewusst gewesen war, dass man im stetigen Auf und Ab einer Ehe manchmal vergaß, was es wirklich bedeutete zu lieben und wie es sich angefühlt hatte, als er zusehen musste, wie sie am Ende langsam zu einer anderen Person wurde, die zwar immer noch Christine war, aber zugleich auch jemand, den er im Grunde nicht kannte und dem er nicht nahekommen konnte. Drew hörte ruhig und ausdruckslos zu, während Grigori fortfuhr und erklärte, dass er bereits seine Eltern verloren hatte und diesen Verlust

Weitere Kostenlose Bücher