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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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noch einen Stuhl.«
    »Was wollen die beiden von uns?«
    »Ich schätze, sie wollten nur hallo sagen. Tut mir leid. Ich hätte es ihnen wohl nicht erzählen sollen.« Durch das Fenster kann Nina sehen, wie entspannt sie wirken, wie sie da neben Viktor im von Farnwedeln gefilterten Licht sitzen. Vera gesellt sich mit dem zusätzlichen Rohrstuhl zu ihnen.
    »Ihr habt also einen schönen Urlaub verbracht?«, fragt Viktor gerade, als Nina mit dem Punsch und einem Tablett voller Gläser zurückkehrt. Serge lehnt sich zurück und zündet sich mit langsamen, ruhigen Bewegungen eine Bruyèrepfeife an, die aussieht wie die von Stalin.
    »Oh, dort ist alles so komfortabel«, ruft Polina begeistert, »das würdet ihr nicht glauben. Ganze zwanzig
Desjatinen
voller Espenwäldchen.«
    Serge fügt hinzu: »Sie hat täglich Ballett geübt, das kann ich zu Protokoll geben.«
    »Das muss ich doch, und ganz besonders bei dem leckeren Essen, das es dort jeden Tag gab. Weißt du, dir würde ein wenig Gymnastik auch nicht schaden.« Sie klopft Serge scherzhaft auf den Bauch. »Du hast ganz schön zugelegt.«
    »Ich spiele Krocket. Das muss reichen.«
    Mit einem glücklichen Seufzer erklärt Polina: »Ich fürchte, ich tauge dazu überhaupt nicht.« Als Nina den Himbeerpunsch ausgießt, nimmt Polina ihre Sonnenbrille ab und putzt sie am Saum ihres Rocks. »Die hat Serge mir geschenkt.«
    »Ich habe sie schon bewundert.« Nina fragt sich, woher er sie haben könnte, ob er im Ausland gewesen ist oder ob er sie in einem dieser Spezialläden gekauft hat, die nur hohen Regierungsleuten Zutritt gewähren. Da hat er dann wohl auch die Kamera ausfindig gemacht, die um seinen Hals hängt – groß und glänzend schaut sie aus ihrer offenen Ledertasche hervor.
    Als jeder ein Glas Punsch vor sich stehen hat, ruft Serge: »Einen Trinkspruch.« In seinen schnellen, ruppigen und selbstbewussten Bewegungen kommt Aggressivität zum Vorschein. »Dem großen Stalin zu Ehren.«
    Sie wiederholen seine Worte, trinken den Punsch, und dann spricht Viktor schließlich die beeindruckende Kamera an.
    »Eine Leica«, erläutert Serge. »Ich würde liebend gern ein Foto von euch allen machen.«
    »Wir sind ja auch gerade so schön zurechtgemacht«, scherzt Nina und deutet auf ihr schlichtes dünnes Baumwollkleid und Viktors gestreifte Pyjamahosen. Vera trägt ebenfalls nur ein Hauskleid.
    »Hier, setzt ihr vier euch zusammen, Viktor, bitte rück deinen Stuhl heran. Du auch, Polina, noch etwas näher zusammen.«
    Viktor sitzt zwischen den drei Frauen und hat seinen Arm um Nina gelegt. Man hört das Klicken des Auslösers, und Polina schlägt vor, dass Serge auch mit auf das Bild kommt. »Hier, setz dich hierher«, bestimmt Vera, »ich mache das Foto.«
    Serge setzt sich neben Polina, schlingt seinen Arm um sie und schaut zu Vera auf. Doch die Pose hält nur bis zum nächsten Klicken. Dann lässt er seinen Arm sofort wieder fallen.
    »Oh, da ist ja der Fluss«, ruft Polina. »Ich kann ihn von hier aus sehen.«
    »Willst du vielleicht noch schnell reinspringen, bevor ihr weiterfahrt?« Nina merkt, dass es klingt, als wollte sie sie loswerden. Aber so ist es ja auch. Sie kann sich nicht entspannen, solange Serge hier ist, Serge mit seiner Kamera. Sie wird den Verdacht nicht los, dass er irgendetwas von ihnen will.
    »Ich würde wahnsinnig gern schwimmen gehen – es ist so heiß! Serge, kommst du mit?«
    Er scheint die Reaktion der anderen abzuwarten. »Geh doch schon mal vor.«
    »Ich begleite dich«, bietet Viktor ritterlich an, und Nina wird von einer Woge der Liebe zu ihm erfasst. Aber sie schließt sich den beiden nicht an, da sie Vera nicht mit Serge allein lassen will. Als Polina außer Hörweite ist, beginnt er denn auch sofort, Vera Komplimente zu machen: »Ich muss sagen, dein Haar sieht heute ganz besonders üppig aus.«
    Vera lacht: »Das liegt daran, dass es gestern nass wurde und Viktor es dann geflochten hat.«
    »Viktor! Ich dachte, das wäre eher eine Beschäftigung für Frauen.«
    »Tja, wenn du den Zopf gesehen hättest, würdest du deinen Verdacht bestätigt finden«, gibt Nina ihm zu verstehen. Sie muss lachen. Der Zopf war zwar unordentlich geraten, aber Viktor hatte ihn sehr behutsam geflochten, und seine Zuwendung kam Nina dabei fast väterlich vor. Ihr gefällt es, dass er sich ehrlich Mühe gibt, für Vera da zu sein. Er hat Nina nach Gerschs Verhaftung mit großer Bestimmtheit erklärt, dass es nun die Aufgabe von ihnen beiden sei, Vera zu

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