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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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beginnt:
Ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-tiriliiii …
Laut, mit klarem, kräftigem Ton und so präzise wie ein Metronom. Das Lied erinnert Nina an Gersch, an sein klares, perfektes Pfeifen.
    Ein Geist. So fühlt es sich an, auch wenn Nina gar nicht an Geister glaubt.
Ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-ta-tiriliiii …
Unnachgiebig. Nina beginnt, sich in Gedanken mit Gersch zu unterhalten. Was versuchst du mir mitzuteilen? Bitte sag es mir. Bitte erklär mir, was geschehen ist. Was genau hast du denn bloß
getan
?
    Am darauffolgenden Morgen steht sie früh auf und beschließt, Punsch aus den Himbeeren zu machen, bevor sie schlecht werden. Die Luft ist unangenehm feucht, da der Regen aufgehört hat und die Sonne nun mit aller Macht scheint. Auch nachdem Nina im Fluss gebadet hat, wird ihr schnell wieder heiß. Durch die Bäume bildet sich ein Netz aus Sonnenschein und Schatten.
    Viktor steht erst viel später auf und reibt sich noch den Schlaf aus den Augen, als er die Küche betritt. Froh, nicht mehr allein zu sein, wünscht Nina ihm einen guten Morgen.
    »Ist er das denn? Ich habe kaum geschlafen, weil dieser Vogel so einen Höllenlärm gemacht hat. Oh, hallo, Veroschka.« Vera kommt ihm verschlafen hinterhergetrottet, auch wenn es schon fast zehn Uhr ist. Haselnussbraune Flecken in ihren dunklen Augen. Viktor schnappt sich den Wasserkrug und geht zum Brunnen hinaus.
    »Hast du ihn auch gehört?«, fragt Vera.
    Nina muss beinahe lachen: »Wie hätte ich ihn denn überhören sollen?«
    »Er hat mich so sehr erinnert an …«
    »Ich weiß. Mich auch.«
    »Es ist, als ob er jetzt hier wäre. Was mir Angst macht. Denn wenn es seine
Seele
ist –«
    »Er ist nicht tot. Sie bringen ihn dort nicht um.«
    Vera schaut skeptisch: »Woher willst du das wissen?«
    Nina kann sich nur mit Mühe verkneifen zu wiederholen, was Zoja ihnen nach ihren Besuchen immer so fröhlich versichert hat:
Ein hervorragendes Programm, wirklich, sehr fortschrittlich und alles.
Gersch darf einmal in der Woche einen Brief nach Hause schreiben und hatsogar schon die Erlaubnis bekommen zu telefonieren, zur Belohnung für seine ausgezeichnete Mitarbeit.
    »Juuuhuuu …!«
    Von der Terrasse her schaut ihnen aus dunklen Brillengläsern Polina entgegen, die mit Serge gemeinsam zum Fenster herein winkt. »Ich habe ihr erzählt, dass wir hier sind«, flüstert Vera. »Ich konnte ja nicht wissen, dass sie auf einen Besuch kommen würden.«
    Viktor, der von seiner morgendlichen Wäsche an der Wasserpumpe zurück ist, begrüßt sie bereits, und Nina und Vera treten zu ihnen hinaus ins Freie. Nina fühlt sich sofort angespannt. Seit sie weiß, für wen Serge arbeitet, ganz zu schweigen von Polinas Geschichte mit den Berichten letztes Jahr, ist sie in ihrer Gegenwart immer auf der Hut.
    »Wir sind auf dem Weg nach Hause«, erklärt Polina, »aber wir dachten uns, wir schauen mal vorbei. Was für ein bezauberndes Fleckchen.« Sie erzählt, dass sie und Serge in einem nahe gelegenen Luftkurort der Regierung Urlaub gemacht haben, während Viktor die beiden bittet, Platz zu nehmen. Der Besuch scheint ihm nichts auszumachen, doch Nina nimmt an, dass er wohl einfach ein besserer Schauspieler ist, als selbst sie es sich vorstellen kann. Serge küsst Nina überschwänglich die Hand und ergreift dann Veras so vorsichtig, als wüsste er nicht, ob es ihm überhaupt gestattet ist, sie anzufassen. Seine Lippen berühren ihre Haut so zart, als würde er kaum wagen, sich diese Freude zu erlauben. Dennoch ist sein Tonfall beinahe gleichgültig, als er sie mit den Worten »schön, dich zu sehen« begrüßt. Er hat gelbe Lilien »für das Haus« mitgebracht, drückt sie jedoch Vera in die Hand. Polina beobachtet ihn dabei stolz, als wollte sie sagen: »Seht nur, was für ein Mann von Welt er ist! So einer ist heutzutage schwer zu finden.« Nun, sie hat ja nicht unrecht … Und mit ihrer Sonnenbrille sieht sie ziemlich glamourös aus. Aber sogar in dieser Sommerhitze ist sie stark geschminkt – ein deutlicher Kontrast zu Veras ganz natürlich reiner Haut. Vielleicht muss sie immer noch die Reste dieser merkwürdigen grauen Flecken überdecken. Irgendetwas bedrückt sie wohl nach wie vor, wenn sie immer noch so nervös ist …
    »Ihr würdet nicht glauben, wie viele verschiedene Sorten Lilien es dort gibt«, erzählt sie über ihren Kurort. »Und überall rundherum Haselnusssträucher. Ach, es war einfach herrlich!«
    Als Nina in die Datscha geht, um den Punsch zu holen, folgt Vera ihr. »Wir brauchen

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