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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ein Paar glitzernde Goldarmreifen. »Los Nummer eins. Zwei Vierundzwanzig-Karat-Goldarmbänder, besetzt mit Diamanten. Ich habe hier ein Gebot« – sie schaute auf den Computerbildschirm – »über zehntausend und würde gern elf hören.« Sie sprach schnell aber unaufgeregt und ohne nachlässig Silben zu verschlucken. »Bietet irgendjemand mehr als zehntausend?« Eine Frau in der ersten Reihe erhob ihre Karte. »Elf wurden geboten, bietet jemand mehr? Wer geht auf zwölf?«
    Ein junger Mann an einem der Telefone machte die entsprechende Geste, und als die Auktionatorin den neuen Preis ausrief, erhob ein übermäßig dicker und schlampig aussehender Mann, der in einer Ecke an einem Tisch lehnte, sein Kärtchen. »Dreizehn«, verkündete die Auktionatorin. »Ist dreizehn das letzte Gebot?« Grigori merkte,dass er sich in der nun entstehenden Pause gespannt nach vorn lehnte. Da erhob die Frau in der ersten Reihe die Karte. »Vierzehn – gerade noch rechtzeitig …« Der dicke, schlampige Herr meldete sich jedoch direkt nach der Frau und nickte jedes Mal, wenn der Preis weiter in die Höhe schoss, bis er schließlich einfach nur in Richtung der Auktionatorin gewandt den Kopf schüttelte. »Ist achtzehn das letzte Gebot?«, fragte diese forsch und senkte den Blick auf die Dame in der ersten Reihe. »Dann erteile ich hiermit den Zuschlag. Verkauft an Nummer 310.«
    »So schnell geht das also«, flüsterte Zoltan, und Grigori dachte: Ja, so leicht wird man diese Dinge los, sogar die Halskette, die mir so bedeutsam vorkam. Die mich jahrelang beschäftigt hat, als würde sie über eine Art Macht verfügen. Dabei ist sie doch auch nur ein Objekt, das man sich mit nichts als einem Kopfnicken aneignen kann. Das am Ende irgendjemandem in diesem Raum gehören wird.
    »Es gehört Ihnen«, sagte die Auktionatorin gerade ins Mikrophon, da sie schon mit dem zweiten Gegenstand durch war.
    Während die nächsten Farbbilder nacheinander auf der großen Leinwand auftauchten, gingen Leute im Raum ein und aus, schenkten sich Kaffee nach und standen in die Beilage vertieft oder durch den Katalog blätternd in der Gegend herum. Der Mann direkt vor Grigori führte Buch über jeden versteigerten Gegenstand und trug den erzielten Preis mit einem Kugelschreiber neben den jeweiligen Artikel in den Katalog ein. Neben ihm saß eine Frau, die an einer Reihe von Dingen interessiert schien, aber immer nur ein einziges Mal bot und sich danach zurückhielt. Aus der Telefonreihe riss »Samanthas Bieter« mehrere Objekte an sich, während »Brians Bieter« sich nur ein paar Mal einschaltete. Drew hatte bislang noch gar nicht geboten, doch Grigori sah immer wieder zu ihr hin und versuchte, ihren Blick einzufangen.
    Sie sah der Auktionatorin nachdenklich zu. Grigori hatte wieder das Gefühl, das sich schon den ganzen Tag in ihm regte, dass er durch überraschende und großzügige Mächte fast körperlich wahrnehmbar aus seiner Trauer und Schwermut emporgehoben worden war: natürlich allein schon durch das Verstreichen der Zeit, aber auch durch Drew und die Auktion und Zoltan neben ihm und, ja, warum nicht,auch durch Evelyn. Obwohl er ganz still dasaß, erbebte Grigoris Körper vor Dankbarkeit, Verwirrung und Liebe.
    Er musste Evelyn natürlich mitteilen, wohin sein Herz ihn geführt hatte. Er hatte jetzt schon das Gefühl, dass sie selbst die Wahrheit erkennen konnte – dass sie nicht dazu bestimmt schienen, mehr füreinander zu sein, als sie ohnehin schon waren.
    Die Auktionatorin brauchte fast eine Stunde, um zum Bernsteinset zu gelangen. Doch bei Los Nummer 71, dem Bernsteinarmband, blieb die Projektionsfläche über ihr leer. Nichts als die blaue Leere des Computerbildschirms war nunmehr zu sehen. »Dieser Artikel«, erklärte die Auktionatorin mit ruhiger, gefasster Stimme, »wurde zurückgezogen.«
    Ein paar der Anwesenden im Saal gaben Laute der Enttäuschung von sich. Grigori blickte zu Drew, um zu sehen, ob sie davon gewusst hatte. Ihr Gesichtsausdruck verriet ihm, dass dem nicht so war. Ein Mann in der ersten Reihe stand geräuschvoll auf und stürmte aus dem Saal, woraufhin die Auktionatorin bemerkte: »Ich versichere Ihnen, dass diese Änderung in der allerletzten Sekunde vorgenommen wurde. Ansonsten hätten wir uns selbstverständlich bemüht, Sie im Voraus zu benachrichtigen.« Sie nahm einen großen Schluck aus ihrem Wasserglas, und Grigori stellte mit Bewunderung fest, dass ihre Hände nicht zitterten. Er konnte sich vorstellen, wie sie

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