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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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würden die Aufregung und der Stress des Tages (die Assistenten hatten anfangs Probleme, die zusätzlichen Stühle aufzutreiben, dann gab es ein kleines Missverständnis mit dem Catering) ihrer Chefin schließlich doch noch zusetzen. Die Falten auf ihrer Stirn traten auf einmal deutlich hervor, zwischen ihren Augenbrauen bildete sich vor Sorgen eine tiefe Furche.
    Nun aber, da die Uhr sich anschickte, vier zu schlagen, straffte Lenore die Schultern und ging selbstsicher auf das glänzende hölzerne Auktionspodest zu, wo ein Laptop und zwei volle Wassergläser auf sie warteten. Während sie die Lippen immer noch zusammenpresste, schienen sich die Sorgenfalten wie durch ein Wunder in Luft aufzulösen.Alle anderen nahmen ihre Plätze ein: Mark, der stämmige junge Galeriewachmann, und Drew, die sich wie ein Dutzend anderer Frauen und zwei Männer vor eins der Telefone setzte, die vorn im Saal aufgereiht waren; bei solch starkem Interesse brauchten sie jeden verfügbaren Mitarbeiter an der Leitung. Drew war einem Bieter in Florida zugeteilt worden, seine Karte hatte die Nummer 201. Es handelte sich um einen Argentinier, der in Miami Beach lebte – der genauer gesagt in diesem Augenblick auf einem Strandtuch am Meer lag und eine Zigarette rauchte; sogar durch sein Mobiltelefon hindurch konnte Drew ihn daran ziehen hören. »Wie ist das Wetter bei Ihnen?«, fragte er, und Drew konnte aus seinem Tonfall heraushören, dass er von dem kürzlichen Schneesturm wusste; ein letztes Aufbäumen des Winters, das jedoch rasch wieder geschmolzen war.
    »Nicht schlecht«, sagte sie verteidigend und dachte an ihren morgendlichen Spaziergang zur U-Bahn mit Grigori, an die angenehme Brise und die geöffneten Mäntel, an Grigoris Haar, das sich vor Feuchtigkeit kräuselte. »Der Frühling ist nicht mehr weit. An manchen Nachmittagen ist es fast schon warm.«
    Während sie sprach, sah sie, wie Grigori gemeinsam mit einem älteren, leicht zerzaust wirkenden Mann den Raum betrat.
    »Hier ist es großartig«, berichtete der Mann in Florida und sog erneut geräuschvoll an seiner Zigarette. »In der letzten Zeit war es zu windig für meinen Geschmack, aber heute: perfekt.«
    Drew sah, dass Grigori nach ihr Ausschau hielt. Sie lehnte sich nur leicht vor, um nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und streckte eine Hand in die Luft. Es funktionierte; er sah sie, die nur leicht das Handgelenk hin und her drehte und sich dann mit der erhobenen Hand durchs Haar fuhr. Grigori zwinkerte ihr lächelnd zu, so dass sie seine Grübchen sehen konnte. Dann hörte sie, wie das Mikrophon mit einem leisen Knacken eingeschaltet wurde, und schaute zu Lenore auf, die etwas in ihren Laptop eintippte. Hinter ihr leuchtete die große Leinwand hellblau auf.
    Auf seinem Platz neben Zoltan musste Grigori sich zurückhalten, nicht alle paar Minuten zu Drew hinüberzustarren. Er konnte nur einen Teil von ihr sehen, da sie ganz vorne an der Wand saß, aber er erwischte sich dabei, wie er sie immer wieder mit Blicken suchte, vielleicht,um sich zu vergewissern, dass sie wirklich existierte. Mit Zoltan zusammen beobachtete er den Rest des Raumes, die vielen Menschen, die mit aufgeschlagenen Katalogen in der Hand herumliefen. An einem der hohen, runden Tische stand ein gut gekleideter junger Mann, der den Arm um eine Frau in einem engen Strickkleid gelegt hatte, das knapp unter ihrem Gesäß endete. So wie sie sich an den Arm des jungen Mannes klammerte, fragte Grigori sich, ob die beiden hier einen Verlobungsring ersteigern wollten. Hinter ihnen stand auf der höchsten Treppenstufe kerzengerade aufgerichtet ein stämmig gebauter Wachmann – ein junger Kerl, der sehr ernst dreinblickte, dabei aber irgendwie mitleiderregend aussah und dessen Anzugärmel ein wenig zu lang geraten waren.
    Auf dem Podium raschelte die Auktionatorin mit ein paar Zetteln. Eine attraktive Dame in einem eng anliegenden dunklen Häkelpullover. Sie schien in den Vierzigern zu sein, war schlank, hatte die Haare zu einem lockeren Knoten zurückgebunden und sah irgendwie französisch aus. Im Saal breitete sich Schweigen aus, als sie die Anwesenden mit kühler, ruhiger Stimme begrüßte und sie bat, ihre Mobiltelefone auszuschalten. »Außer natürlich, Sie verwenden sie zum Bieten.« Grigori hörte einen schwachen, undeutlichen Akzent – oder mehr die Vortäuschung eines Akzents, wie bei den Moderatoren des Klassiksenders.
    Auf der Leinwand über ihr erschien nun ein Bild des ersten Artikels:

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