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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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längst vergessenen Dichter wieder zum Leben erweckt hast, und das in einer ganz anderen Sprache.«
    Grigori ging eine Passage aus seiner Nachdichtung durch den Kopf:
Nacht aus schwarzem Samt, mit Sternennadelstichen hoch und weit gehängt …
»Eigentlich habe ich das nur für mich selbst getan.«
    »Das ist doch der einzig wahre Grund. Ihm verdanken sich die wichtigsten literarischen Werke.«
    Schattenflickendecke, Fichtennadelteppich, Sonnentropfen aus gelbem Harz. Die Luft klingt …
    »Wenn ich nicht für mich selbst schreiben würde«, fuhr Zoltan fort, »würde ich es ganz bleibenlassen.« Sein erstes und zweites Buch waren noch in mehrere Sprachen übersetzt worden, aber von den späteren hatte keins das Ungarische hinter sich gelassen. Grigori wusste, wie sehr dieser Umstand Zoltan schmerzen musste: Seine reifsten Werke, in denen sein Talent erst voll zur Entfaltung kam, waren in einer Sprache verfasst, die viele trotz ihrer Schönheit für einen bloßen linguistischen Witz hielten.
    »Wahrscheinlich kann man es gar nicht vernünftig erklären«, sagte Grigori, »wie viel Zeit unsereins mit solchen Obsessionen verbringt.«
    In Wirklichkeit war es die reinste Freude gewesen, Viktor Elsins Gedichte zu übersetzen. Seine Sprache war schlicht, die Bilder meist eindeutig. Grigori hatte nicht viel Zeit mit sprachlichen Kniffligkeiten und schwierigen Interpretationsfragen verbringen müssen. Außer bei den letzten beiden Gedichten: »Schwimmen bei Nacht« und »Flussufer«.
    Auch sie hatte Grigori einmal als geheime Zeichen lesen wollen, genauso wie die
Hello
-Ausgabe, die schwarzweißen Fotografien und die Krankenhausurkunde mit dem Sowjetemblem in der Mitte. Die Briefe und den einzigartigen Bernsteinanhänger …
    Dieses gelbbraune Harz, in Zeitlupe fließende Tränen, als würde der Baum selbst die Zukunft kennen.
    All diese Dinge hätte Grigori Nina Rewskaja geben können, hatte es sogar versucht, damals, vor Jahren, auf ihrer Türschwelle und in dem flehentlichen Brief, den er ihr später schrieb. Aber was bewiesen sie schon? Auf den Fotos waren auch andere abgebildet; es war nicht zu beweisen, dass sie ihr gehörten, dass nicht jemand anderes sich Abzüge davon gemacht hatte (auch wenn sie sich sicher daran erinnerte, wie die Bilder entstanden waren, dachte Grigori), und die Briefe waren kryptisch, enthielten Spitznamen, Initialen und vage Formulierungen, aus denen um so deutlicher die Furcht vor der Zensur abzulesen war. Nur einem einzigen anderen Menschen außer Christine hatte Grigori die Briefe gezeigt – nur um festzustellen, dass er das besser nie getan hätte.
    … kühl und köstlich, das Schachbrettmuster, das der Schatten dieser Äste bildete. Manchmal glaube ich, dass wir überhaupt nur für perfekte Tage wie diesen auf der Welt sind.
    Grigori war damals einundzwanzig und stolz wie noch nie auf die Seminararbeit, die er verfasst hatte. Er war richtig aufgeregt, als er sie einreichte. »Die Kiefern weinen. Eine Neuinterpretation von Viktor Elsins ›Schwimmen bei Nacht‹ und ›Flussufer‹ auf der Basis eines unveröffentlichten Briefes.«
    Es war das erste Jahr seines Aufbaustudiums. Sein Dozent war ein zierlicher Mann mit Segelohren und einem mongolischen Nachnamen, den Grigori inzwischen längst verdrängt hatte. Seine Hände hatten gezittert, als er ihm den Aufsatz überreichte, das Produkt langer, fieberhafter Arbeit an der Brother-Schreibmaschine.
    »Danke«, hatte das Segelohr gemurmelt, ohne auch nur das Titelblatt anzusehen. »Ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich damit durch bin.«
    Grigori hatte gewartet und gewartet, auch wenn es eigentlich nicht einmal eine Woche dauerte, bis im Vorflur des Zimmers, in dem er sich eingemietet hatte, das Telefon klingelte. Segelohr sagte, er habe nur eine einzige Frage, die aber sehr wichtig sei: »Wo
ist
dieser Brief, den Sie in Ihrem Aufsatz zitieren?«
    »Ich bringe ihn Ihnen mit«, sagte Grigori erwartungsvoll, hocherfreut und nur ganz leicht beunruhigt.
    Als er ihm dann die handgeschriebenen Seiten überreichte, eine Kopie des Originalbriefs, las Segelohr erst eine Weile schweigend, bevor er murmelte: »Wie
interessant
…« Grigori konnte dem Drang nicht widerstehen, über seine Schulter den ersten Absatz mitzulesen.
     
    Meine Liebste, bitte vergib mir. Sicher glaubst du mir nicht, wenn ich sage, dass ich dich liebe. Und doch weißt du, dass es so ist. Du weißt, was es bedeutet, wenn es uns überwältigt, das große, breite Netz, aus dem es kein

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