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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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schließe ich die Augen, um mich zu erinnern. Unsere Küsse im Park, als dieser dürre Polizist kam und uns ausschimpfte. Die Stunden, Tage, Wochen waren bloße Leerzeichen für mich, Zwischenräume zwischen den Gelegenheiten, dich zu küssen.
    Unser lieber V. hat mir erzählt, dass ihr vielleicht einen Ausflug zusammen unternehmen werdet. Wir können uns glücklich schätzen, solche Freunde zu haben! Doch Liebste, ich bitte dich – nur wenn schönes Wetter ist. Und vergiss den Pass nicht. Dieses eine Lied will mir nicht mehr aus dem Kopf gehen, in dem ein Mann seine Frau so vermisst wie die Welle das Ufer – immer und immer wieder. Genau so vermisse ich dich.
     
    Als er mit Christine darüber gesprochen hatte, hatte alles einen Sinn ergeben. Sie hatte ihm vom ersten Moment an geglaubt.
    Und dann der Bernstein. Ich habe oft daran gezweifelt, dass ich je eine Frau kennenlernen würde, die mich dazu bewegt, diese Kostbarkeiten an sie weiterzureichen. Kleine Tropfen funkelnden Sonnenlichts … besonders die Ohrringe. Jedes der Stücke beschließt in sich eine kleine Welt. Sie erinnern mich an die Datscha (mit den vielen Insekten!) und an die Abendsonne, wie sie direkt in den See zu sinken schien. Die unwahrscheinliche Vollkommenheit dieses Sommers … Ich habe immer auf den perfekten Moment gewartet, sie dir zu geben. Ich wünschte, ich hätte nicht so lange gewartet.
    In der zugigen Sitznische versuchte Grigori, dem nächsten Gedanken auszuweichen, der unweigerlich folgenden Erinnerung. Zoltan erklärte gerade das paradoxe Wesen der Dichtung: »… eins dieser scheinbar nutzlosen Dinge, die Menschen trotzdem unaufgefordert immer wieder und wieder erschaffen wollen.«
    »Wie dem auch sei«, sagte Grigori. »Ich fühle mich von deinem Vorschlag sehr geehrt. Und ich wüsste nicht, warum ich ablehnen sollte.«
    Zoltan lächelte sichtlich zufrieden. Selbst jetzt konnte man, wenn man ihn aus dem richtigen Blickwinkel ansah, den Dandy in ihm erkennen, so sehr er auch sonst den anderen zweifelhaften Gestalten ähnelte, die sich bei Dunkin’ Donuts die Zeit vertrieben. »Schlaf erst mal drüber. Auch wenn ich natürlich hoffe, dass du ja sagst.«
    Als Grigori aufstand, um seinen Mantel zuzuknöpfen, erhob sich eine Stadtstreicherin aus der Sitznische hinter Zoltan und schlurfte an ihm vorüber. Hinter ihr, auf einem kleinen Eckregal, zeigte der Fernseher gerade eine flotte dunkelhaarige Nachrichtensprecherin, die sich über lokalpolitische Themen ausließ. Dann sagte sie plötzlich, als hätte sie bemerkt, dass Grigori vor ihr stand: »Die umschwärmte Primaballerina, die sensationelle Schmuckauktion und der mysteriöse Kettenanhänger. Erleben Sie auf News 4 ein Exklusivinterview von June Hennessey mit der weltberühmten Tänzerin Nina Rewskaja. Heute Abend, 18 Uhr, nur auf
News 4 New England

    Großer Gott, gab es denn wirklich kein Entkommen? Grigori bemerkte, wie er den Blicken der Nachrichtensprecherin auswich, selbst dann, als schon eine andere Dame zu sehen war und ein neuer Strom bedrohlicher Worte unten am Bildschirmrand entlangfloss.
Turnschuhbomber zu lebenslanger Haft verurteilt. Waffeninspektor hält den Irak nicht für kooperationsbereit.
Grigori zog seine Handschuhe über. »Also dann, Zoltan, ich mache mich auf den Weg.«
    Zoltan, der sich tief über sein Notizbuch gebeugt hatte, sah noch einmal auf. »Einen guten Tag wünsche ich dir, Grigori.« Schon war er wieder in seine Arbeit versunken. »Dir auch, Zoltan«, sagte Grigori und trat hinaus auf die Straße.
     
    Stephen hatte einen dieser neuen Flachbildfernseher, von denen Drew viel gehört, die sie aber noch nie selbst gesehen hatte. Weil sie selbst gar keinen Fernseher besaß, ging sie nach Feierabend direkt zu ihm, um sich das Rewskaja-Interview anzusehen. Dafür nahm sie Stephen eine Flasche von dem Merlot mit, den er so mochte, und schenkte ihn in zwei riesige bauchige Gläser.
    »Cin cin«, sagte Stephen und prostete ihr lächelnd zu. Er war offensichtlich rundum glücklich darüber, sie neben sich auf dem glänzenden grauen Sofa sitzen zu sehen. Drew überkam ein jähes Schuldgefühl – weil sie den Mann nicht lieben konnte, der beschlossen hatte, sie zu lieben.
    Auf dem Bildschirm war jetzt das Studio von News 4 zu sehen, in dem eine Frau um die sechzig in einem leuchtend roten Rock eine etwas kurzatmige Einleitung direkt in die Kamera sprach.
    Nina Rewskaja, die renommierte russische Tänzerin, auch unter ihrem Künstlernamen »der

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