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Die Tänzerin im Schnee - Roman

Die Tänzerin im Schnee - Roman

Titel: Die Tänzerin im Schnee - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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realistischer Wunsch. Diesen Gedanken behält Nina für sich, während alle ihre Tassen heben. Als sie schluckt, bemerkt sie erst den strengen Nachgeschmack.
    »Weißt du, Zoja«, sagt Viktor, »vielleicht werde ich auf die zehn zusätzlichen Jahre doch verzichten müssen.«
    Gersch hat keinen Zucker, aber Zoja schlägt vor, den Tee mit Milch zu süßen. »O weh, wer hätte das geahnt, immerhin ist es doch ein chinesisches Rezept.« Sie schenkt aus einer schmutzigen grünen Kanne Milch dazu, und Nina betrachtet die kostbare weiße Flüssigkeit in ihrem Tee. »Bestimmt hilft Ihnen das beim Tanzen.«
    Ihr Interesse scheint nicht einmal geheuchelt zu sein; sie ist in der Bildungsabteilung der Moskauer Stadtverwaltung für die Organisation von Kulturereignissen zuständig. »Wir haben so ein großartiges Programm auf die Beine gestellt. Es ist mir wirklich eine Ehre, dabei zu sein. Unsere große Nation bringt so viele Talente hervor.« Nina kennt viele Menschen wie Zoja, die immer ihre Linientreue betonen und sich ständig etwas ans Revers heften. Als Nächstes erzählt sie von einem Varieté-Abend, den sie in einem Wohnheim der Gelehrtenhilfe organisiert hat. »Es war ein fabelhafter Erfolg.« Das sagt sie wie nebenbei, mit einem leichten Schütteln ihrer Locken, als sei Erfolg für sie etwas völlig Selbstverständliches. »Eine Akkordeonistin war da, ein Zauberer, eine ganz großartige Sängerin und ein umwerfend komischer Jongleur. Und einen Vortrag gab es auch, von einem Dozenten vom Pädagogikinstitut. Ach, und natürlich ein dressierter Hund; der war wirklich süß …«
    »Ich frage mich, wie der Dozent sich wohl gefühlt hat«, sagt Gersch vom Diwan her, »als Pausenfüller zwischen einem Jongleur und einem Hund.«
    »Du lachst«, sagt Zoja verschüchtert. »Na schön, ich kenne es ja, dass du dich gern wichtig machst und so tust, als seist du was Besseres.« Aber ihrem Gesichtsausdruck ist deutlich abzulesen, wie sehr sie Gersch bewundert.
    »Ich tue nicht nur so. Ich bin wirklich fest überzeugt, dass meine Werke – trotz allem, was das Zentralkomitee dazu sagt« – sein Tonfall ändert sich, als er zu Viktor hinübersieht – »mehr wert sind als das, was ein Hund zustande bringt. Nicht mehr wert als die Kunststücke des Zauberers vielleicht …«
    In Viktors Augen funkelt es; Gerschs Dreistigkeit bereitet ihm offenbar größtes Vergnügen. Zoja sagt: »Aber Zauberer und Jongleuresind auch Künstler. Sie beherrschen die Kunst der Unterhaltung, während du … ich weiß wirklich nicht, was deine Kunst eigentlich bezweckt.«
    »Schönheit, meine Dampfnudel. Nichts Geringeres als pure Schönheit. Oder was sagt ihr?« Gersch wendet sich an Viktor und Nina, aber jetzt, da er mit hineingezogen wird, scheint Viktor weniger begeistert zu sein. Nina ist so überrascht von Gerschs mutiger Aussage, dass sie gar nicht mehr weiß, was sie sagen soll. Offiziell hat die Kunst weit größere Ziele: die Erziehung der Massen, den Dienst an der Revolution. Bloße Schönheit ohne einen sozialen Kontext ist nicht genug, so lernt es Nina jedenfalls in den Schulungen.
    »Stellt ihr nur eure Künste auf ein Podest«, sagt Zoja mit einer Schnute, die man, wie Nina vermutet, nur als hinreißend bezeichnen kann, »aber ich kann euch sagen, dass es durchaus Jongleure gibt, deren Gesellschaft ich der von gewissen Dichtern bei weitem vorziehen würde. – Du bist natürlich nicht gemeint.« Sie weist mit einer zierlichen Geste auf Viktor.
    »Ah! Jetzt weiß ich, womit wir dieses Zeug süßen können!«, ruft Gersch und lehnt sich zu der Kommode hinüber, um eine Flasche Schnaps herauszuangeln.
    Zoja wendet sich an Nina. »Wenn Sie sich vielleicht vorstellen könnten, irgendwann einmal bei uns aufzutreten …«
    »Aber natürlich.« Nina ist immer noch vollauf damit beschäftigt, die neuen Eindrücke aufzunehmen. Sie versucht zu begreifen, wer Zoja eigentlich ist, und Gersch, und warum jemand wie Gersch gegenüber jemandem wie Zoja derart unbekümmert seine Meinung sagt. Immerhin ist offensichtlich, dass sie ihm völlig verfallen ist. Vielleicht stimmt es ja, dass Gegensätze sich anziehen.
    »Viktor hat auch schon für uns auf der Bühne gestanden, wussten Sie das? Er ist ein richtiger Alleinunterhalter, wenn er rezitiert. Am liebsten mochte ich das mit den Mohnblumenfeldern.«
    Plötzlich ändert sich ihr Gesichtsausdruck. Leise sagt sie zu Gersch: »Ich habe gehört, dass …« Sie ringt nach Worten. »… dass deine alte Freundin

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