Die Tänzerin im Schnee - Roman
einfach mal vorbei. Um Sie zu fragen, ob es schon neue Erkenntnisse gibt.«
»Das Labor scheint gerade etwas überlastet zu sein«, sagte Drew und bemühte sich, ihren Ärger über diese zusätzliche Verzögerung vor ihm zu verbergen. »Aber keine Sorge. Bis Ende nächster Woche sollten wir die Ergebnisse haben. Wie gesagt, es ist ohnehin eher pro forma.«
Grigori Solodin wirkte nicht überzeugt.
»Übrigens wollte ich Sie ohnehin anrufen. Ich habe gerade angefangen, die Beilage zusammenzustellen, und wollte Sie fragen, ob Sie uns entsprechendes Material zur Verfügung stellen könnten.«
»Beilage?«
»Eine Art Broschüre, die bei dem Dinner vor der Auktion ausgegeben wird. Sozusagen ein Sammlerstück, das die Fotos und Texte im Katalog ergänzen soll. Wissen Sie, bei besonderen Auktionen organisieren wir manchmal im Vorfeld private Veranstaltungen, und dafür gestalte ich dann so eine Beilage, die etwas persönlichere Informationen enthält. Zu dem Bernsteinschmuck hätte ich sehr gern etwas in der Richtung. Natürlich am liebsten zu jedem der Schmuckstücke, aber wenn Sie vielleicht etwas beizusteuern hätten …« Grigori Solodin blickte zu Boden, und Drew beschlich das Gefühl, sie hätte etwas Falsches gesagt. »Ich habe auch schon Nina Rewskaja gebeten, uns alles mitzuteilen, was sie an Hintergrundinformationen parat hat, Informationen darüber, wer ihr den Schmuck gegeben hat, zum Beispiel, oder zu welchen Kleidern und Anlässen sie ihn getragen hat.Vielleicht auch Erinnerungen daran, wo die Juwelen gekauft oder an wen sie weitervererbt wurden.«
»Na dann, viel Glück«, sagte Grigori Solodin trocken.
»Ja, na ja, wir sind dankbar für jede noch so kleine Hilfe.« Drew war etwas pikiert, ließ sich aber nichts anmerken. »Deshalb wende ich mich ja auch an Sie, um Sie zu fragen, ob es noch etwas gibt, das Sie uns mitteilen möchten. Selbst Dinge, die Ihnen unwichtig vorkommen, könnten für uns interessant sein. Es geht mir einfach darum, das Ganze etwas persönlicher zu gestalten. Das Interesse der Öffentlichkeit ist groß.«
Grigori Solodins Gesicht wirkte seltsam ausdruckslos – als bemühte er sich gezielt, neutral auszusehen.
»Das soll natürlich nicht Ihre Anonymität gefährden«, versicherte Drew. »Ich würde alles so umformulieren, dass es nur etwas über den Kettenanhänger aussagt, nicht über Sie. Vielleicht kann ich sogar Fotos dazu auftreiben, von der Originalschatulle oder einer Geschenkkarte zum Beispiel.«
Grigori Solodin nickte angespannt und presste die Lippen aufeinander, so dass an seinen Wangen kleine Grübchen sichtbar wurden. »Verstehe.« Aber er machte keine Anstalten, ihr Hilfe anzubieten. »Ist es üblich, so eine … Beilage zu erstellen?«
»Für besonders vielbeachtete Auktionen schon, ja. Waren Sie schon mal bei einer unserer Auktionen?«
»Nein. Ich glaube, ich war überhaupt erst bei einer einzigen. In den Berkshires. Meine Frau hatte eine Schwäche für orientalische Teppiche, und es gab – oder gibt – dort einen Laden, der regelmäßig welche versteigert. Sehr schön, und gar nicht mal so teuer. Da war ich einmal mit ihr.«
Er sah nur ein klein wenig traurig aus, so dass Drew nicht sicher sein konnte, ob er verwitwet oder geschieden war. So oder so war er offenbar daran gewöhnt, von seiner Frau nur in der Vergangenheitsform zu sprechen. Drew fragte sich wieder, wie alt er wohl sein mochte. Er strahlte eine Form von Klugheit aus, die sie eher mit älteren Menschen verband.
»Und Sie?«, fragte er. »Dürfen Sie bei den Auktionen Ihres Arbeitgebers mitbieten?«
»Ja, aber nur schriftlich im Voraus. Sonst könnte es nach Preistreiberei aussehen. Und wenn nach der Auktion Sachen übrig sind, können wir sie manchmal kaufen.« Sie zeigte ihm den Ring an ihrer rechten Hand und erzählte, dass ihre Großmutter ihr ein wenig Geld vermacht hatte. »Es war nicht besonders viel, aber ich konnte mich zwei Jahre lang nicht entscheiden, was ich damit tun sollte. Sie hatte extra verfügt, ich sollte mir davon ›was Schönes gönnen‹.«
»Der ist wirklich sehr schön.« Er lächelte, und aus den Grübchen in seinen Wangen wurden drei tiefe Falten.
»Danke.« Drei Lachfalten nebeneinander hatte sie noch nie gesehen. »Außer dem Ring habe ich nur noch ein Mal etwas gekauft. Letztes Jahr erst. Ein Aquarell aus einer Auktion für japanische Malerei.«
Dieses Aquarell hing jetzt in ihrem Schlafzimmer, eine schlichte Tuschezeichnung, die nur einen einzelnen kleinen
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