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Die Tänzerin von Darkover - 9

Die Tänzerin von Darkover - 9

Titel: Die Tänzerin von Darkover - 9 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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etwas anderes einreden.
    Und gerade deine terranischen Erfahrungen sollten dir genügend Selbstvertrauen geben. Alle glauben, dies sei ein männlicher Tanz, ein darkovanischer Tanz! Und du bist geradeso wie jeder Mann dafür geeignet! Muß ich noch mehr sagen?«
    Alessa blickte ihn schweigend an, schwieg auch jetzt, als er fortfuhr: »Du weißt, Alessa, daß ich dich nicht darum bitten würde, wenn ich eine andere Wahl hätte. Aber ich fühle mich so unglaublich schwach, schon seit heute morgen. Ich könnte noch nicht einmal vor sie alle hintreten, selbst wenn ich es versuchte. Und du kennst den Tanz doch ganz genau … Komm schon, Schwester, nimm das Kostüm, zieh es an. Wir haben noch immer die gleiche Größe. Und deine Haare … die binden wir einfach zurück. Keiner wird den Unterschied bemerken. Aber der Tanz muß getanzt werden – es geht nicht anders. Mehr kann ich nicht sagen.«
    »Du hast recht«, stimmte Alessandra schließlich zu, aber sie zitterte doch, als sie das Kostüm entgegennahm. »Zumindest dieser eine Tanz. Ich habe ihn schon immer tanzen wollen. Nur dieses eine Mal. Für Darkover …«
    Im Ballsaal der Comyn-Burg wurden die Lichter erneut gelöscht; dieses mal wurde der Raum völlig verdunkelt. Dann brachte man zwei Fackeln herein, die flackerten, als die Wächter in der Saalmitte die Zeremonienschwerter über Kreuz auf den Boden legten. Dann entfernten sie sich. Nun sollte Endreas, einer der besten Tänzer Thendaras, auftreten. Wie die Schwester, so der Bruder.
    In der Ferne setzte ein einzelner Bordun klagend ein, schwoll allmählich an und wurde dann von rhythmischem Trommelwirbel abgelöst. Diesem Tanz wohnte jene eigentümliche Kraft inne, die seit Menschengedenken die Herzen schneller schlagen ließ.
    Der Tänzer nahm den Rhythmus stampfend auf. Sein Gewand, schwarz und purpurrot mit dem eng gebundenen Kopftuch, unterstrich den wilden, barbarischen Eindruck aus längst vergangenen Tagen. Dieser Rhythmus und diese Verkörperung des alten Stolzes der Berge bewegte das Publikum stets aufs Neue. Es herrschte atemlose Stille.
    In den heftigen Bewegungen lag etwas Ungezügeltes, Animalisches, und doch zeugte es zugleich von höchster Präzision.
    Verglichen mit dem vorangegangenen Tanz seiner Schwester besaß dieser hier, so glaubte Regis, eine andere Qualität. Die Anmut und Beherrschung wurden von größerer Kraft und Kühnheit übertroffen, und hinzu kam eine nur schwer zu beschreibende sinnliche Heftigkeit, die durch und durch maskulin war. Sie nahm einen gefangen, zog einen in ihren Bann …
    Der Pulsschlag erhöhte sich zu einem Crescendo, als der Tänzer wie ein wildes Katzenwesen die Schwerter ergriff und damit herumwirbelte. Der Stahl reflektierte bei jeder Drehung das Fackellicht und täuschte so optisch ein Blitzlichtgewitter vor. Die kunstvoll geführten Schwertbewegungen ahmten einen Kampf auf Leben und Tod nach – ein getanzter Kampf mit sich selbst.
    Er gleicht Dyan, wie er vor all den Jahren den Schwerttanz vollführte, ein einziges Mal nur, und die Frauen reihenweise ohnmächtig werden ließ.
    Für Regis verschmolzen erneut Realität und Erinnerung: er glaubte tatsächlich, den finsteren Lord Ardais zu sehen, wie er einst vor ihnen aufgetreten war, im wilden Tanze, voller mühsam gezügelter Gewalt – stolz und schön und grausam und so voller Leben! Sollte diese Nacht denn nur mit Erinnerungen an die Vergangenheit beladen sein? Oder wurden diese Erinnerungen durch eine sich all zu schnell verändernde Gegenwart hervorgerufen?
    Die Trommeln und Schellen verstummten in einem gigantischen Schlußakkord, der einen barbarischen Schrecken verbreitete. Die purpurrote und schwarze Gestalt, eben noch eine tanzende Fackel, erstarrte zu einer Statue aus Stein, die Schwerter hoch über dem Kopf haltend.
    Das Kopftuch!
    Das schwarze Kopftuch hatte sich gelöst! Das lange, flammend rote Sharra-Haar ergoß sich auf seine – nein, auf ihre Schultern! Und mit ihm ergoß sich ewige Schande.
    Alessandra Aillard blieb gerade noch genug Zeit, um zu spüren, wie das Kopftuch verrutschte, und zu begreifen, was das für sie bedeutete. Dann brach sie zusammen. In der großen Comyn-Halle herrschte Totenstille.
    Als sie wieder zu sich kam, kniete Ruyven an ihrer Seite und kümmerte sich um sie, ohne daß Regis ihn erst darum bitten mußte.
    Um sie herum war inzwischen der Sturm der Entrüstung losgebrochen.
    Alessa war kreidebleich, und ihre langen roten Haare, die sie verraten hatten, verstärkten

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