Die Tänzerin von Darkover - 9
hatte, schon bald nach Osten reiten würde.
Schließlich wurde sie durch den plötzlichen Tod ihrer Mutter nach Hause gerufen. Ihr Vater und Corys, inzwischen zu einem großen, lebhaften Jungen herangewachsen, hießen Caillen willkommen, und gemeinsam teilten sie die tief empfundene Trauer. »Du stehst bereits im achtzehnten Sommer«, seufzte ihr Vater, als er sie an sich zog,
»und schon vor zwei Sommern hätte ich dich eigentlich heiraten lassen sollen. Aber ich ertrage es nicht, Alicia und dich so kurz hintereinander zu verlieren. Bleib noch eine Weile bei mir.«
Als der Schnee im Frühling geschmolzen war, teilte Dom Aldric Caillen mit: »Ich habe einen Hauslehrer für Corys eingestellt. Etwas Bildung wird sich als nützlich erweisen; je besser er selber lesen und schreiben kann, desto weniger wird man ihn übervorteilen. Doch ich denke nicht daran, den Burschen nach Nevarsin zu schicken.
Deshalb habe ich einen Mönch kommen lassen. Er schaut sehr ernsthaft aus, und zweifellos wird ein strenger Lehrer Corys gut tun. Aber der Junge trauert noch immer sehr um seine Pflegemutter, und deswegen fände ich es gut, wenn seine Schwester sich liebevoll um ihn kümmern würde. Ich bitte dich, Caillen, arbeite mit Corys und dem Hauslehrer; dann bin ich sicher, daß sich der Unterricht auch lohnen wird.«
Bruder Domenic war in der Tat ein gestrenger Lehrmeister, und unter seiner Anleitung lernten Bruder und Schwester nicht nur Lesen und Schreiben; noch wichtiger war, daß sie sich gegenseitig besser kennen und schätzen lernten.
Von den Tag, an dem Caillen von ihrer Verlobung erfuhr, bis zum Vollzug der Ehe vergingen schließlich acht Jahre, in denen sie ihren zukünftigen Ehemann nicht einmal zu Gesicht bekam. Sein Vater, der alte Lord Elhalyn hatte sie dagegen mehrfach besucht. Caillen mochte den greisen Dom Geom und seine rauhe, aber herzliche Art.
Er war gern zu Scherzen aufgelegt, konnte aber andererseits seinen Standpunkt unbeugsam vertreten, wenn er an eine Sache glaubte. Er gab sich besondere Mühe, mit Caillen Bekanntschaft zu schließen, und diese Aufmerksamkeit verfehlte nicht ihre Wirkung. Wenn sein Sohn nur halb so warmherzig und geistvoll ist, dann darf ich mich glücklich schätzen, sagte Caillen sich. Als Dom Geom sich am Ende seines letzten Besuchs von ihrer Familie verabschiedete, küßte er Caillen auf beide Wangen und hielt ihre Hände fest umschlossen.
»Ich baue auf dich, meine Tochter«, erklärte er vielsagend, bevor er davonritt.
Neun Monate später war der alte Lord tot. Weitere drei Monate später verließ Caillen als Braut an der Seite von Dom Raul, dem neuen Lord von Elhalyn, die Domäne Asturias und ritt schweren Herzen ihrem neuen Heim entgegen. Sie trauerte um den einzigen Menschen, den sie dort gekannt und geliebt hatte.
Es sollte sich schon bald herausstellen, daß Raul nicht das Zeug zum Herren einer Domäne besaß. »Wie ein Gockel, der versucht, Eier auszubrüten« – so hätten auf Asturias die Frauen seine stümperhafte Art beschrieben, das Gut zu führen. Wenn er es nicht ganz zu Grunde richtete und sich mit sämtlichen Nachbarn anlegte, dann war das nur der vereinten Anstrengung seines Coridoms und Caillens zu verdanken, die immer wieder ausbügelten, was er angerichtet hatte. Dabei mußten sie äußerst diskret vorgehen, denn Raul war schnell beleidigt, wenn er glaubte, seine Autorität würde in Frage gestellt.
Warum nur, Vater? Warum hast du mich einem solchen Schicksal überlassen? Er war doch schon siebzehn, als du ihm meine Hand versprachst. Konntest du denn nicht schon damals seine Schwächen erkennen? Oder hat es dich einfach nicht gekümmert? Ich kann einen solchen Mann nicht lieben und ehren. Und gehorchen? Wie könnte ich so einem gehorchen? Zählen meine Gefühle denn gar nichts, Vater?
Sie erhob sich und dachte daran, die Stallungen zu besuchen, um bei den Tieren Trost oder zumindest Ablenkung von ihren Sorgen zu finden. Plötzlich wurde ihr schwarz vor Augen.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie in ihrem Bett. Neben ihr saß die Hebamme des Guts und strahlte, als ob sie gerade höchstpersönlich die vier Monde am Firmament aufgehängt habe.
Nach wenigen Stunden war Caillen wieder auf den Beinen, aber die folgenden Tage und Wochen sollten ihre Geduld gehörig auf die Probe stellen. Raul platzte fast vor Stolz und tat so, als ob er der erste Jungvermählte sei, der seiner Gattin einen Erben zeugte. Er behandelte Caillen, als ob die Schwangerschaft sie
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