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Die Tätowierung

Die Tätowierung

Titel: Die Tätowierung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Haar hatte sie oben a u f dem Kopf schla m pig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihrem Gesicht war der jahrelange Alkohol m i ssbrauch anzusehen. Um die Augen und den Mund hatten sich tiefe Falten eingegraben. Aber ihre Wangenknochen und ihre großen grünen Augen ließen noch ihre frühere Schönheit erahnen. Diese Wangenknochen hatte S ebastian von seiner Mutter geerbt.
    Langsam s t and Sabine Martinsson auf die Tischplatte gestützt auf. Seine Gr ö ße h a tte Sebastian ebenfalls von seiner M u tter geer b t . Sie war fast ebenso groß wie Irene und nicht nur schlank, sondern abge m a gert und unterernährt. Nur der Bauch schien rund und etwas geschwollen zu sein. Sabine Ma r tinsson m achte ein e n schwer kranken Eindruck. Ihr gelbes T-Shirt hing auf ihren knochigen Achseln. Unter d e m dünnen Stoff zeichneten sich hängende, eingesunkene Brüste m i t großen Brustwarzen ab. D i e zerlöc h erte schwarze Stru m p fhose schlotterte um ihre m ageren Beine.
    »Die Bullen aus … Göteborg ? «, lallte sie.
    Ihr fehlten ein Schneidezahn und m ehrere Zähne i m Unterkie f er.
    » W ir würden uns gerne m it Ihnen unterhalten. Es geht um Sebastian.«
    Als Irene den N a m en ihres Sohnes nannte, kam plötzlich ein Leuchten in Sabines vorher so toten Blick. Sie r i cht e te ihren krum m en Rücken auf und sagte m it erstaunlich klarer Sti mm e: »Ist Sebbe was zugestoßen ? «
    Irene trat einen Schritt auf die schwankende Gestalt zu und legte ihr vorsichtig eine H a nd auf den Ar m . Unter der Haut waren keine Muskeln, nur Knochen.
    »Das wissen wir nicht. Er ist von seinem Arbeitspla t z verschwunden. W i ssen Sie, wo er ist ? «
    Jet z t wurde der ä lt e re der bei d en Männer auf ein m al munter. Er hatte die beiden Bea m ten blinzelnd angestarrt und dabei seine zahnlosen Kie f er bewegt. Plötzlich begann er zu rufen: »Sag verdam m t no c h m al nichts zu den Bullensch w einen! Diesen verdam m t en …«
    Unbeholfen versuchte er aufzustehen, wurde aber schnell von dem Finnen wieder auf den Stuhl heruntergezogen. Irene verstand kein Finnisch, aber was Hannu auch im m e r gesagt hatte, seine Botschaft war auf jeden F a ll durch den Alkoholnebel gedrungen.
    »Keine Panik. W i r versuchen nur, ihren Sohn zu finden. Der ist verschwunden«, sagte Irene lächelnd.
    Der Mann begriff das nicht recht und begann wieder, die Kiefer zu bewegen.
    »Sebbe? Sebbe … verschwunden ? «, fragte Sabine.
    Sie sprach ange s t re n gt, als k o ste s i e je d es W ort unerhörte Mühen.
    »Ja. Er war jet z t schon seit ein e r ganzen W eile nic h t m ehr bei seiner Arbeit, und in seiner W ohnung ist er auch nicht. W i ssen Sie, wo er sein könnte?«
    Sabine schüttelte Ire n es Hand ab und ging auf unsicheren Beinen auf die Küchentür zu. Sie stützte s i ch am Türrahmen ab und holte ein paar Mal rasselnd At e m , ehe sie anfing zu husten. Nach ei n er W eile n a hm sie Kurs auf die Toilette auf der anderen Seite der Diele. Natürlich stolperte sie über den schn a rchenden Mann. Sie fiel kopfüber, aber glücklicherweise auf den Mann und deswegen relativ weich. Dieser hustete kurz und begann dann in einer anderen Ton a rt weiterzuschnarchen.
    »Haben Sie sich wehgetan ? «, fragte Irene.
    Sie war Sa b i ne so f ort z ur Hil f e g e e ilt. J e tzt zog sie sie wieder auf die Beine. Sabine m u r m e l te nur abwehrend und m achte sich dann aus Irenes vorsichtigem Griff frei. Stolpernd legte sie schließli c h die let z ten Schritte zu r Toilette z ur ück. Mit e i n em Kn a ll schloss sie die Tür hinter sich. W enig später war kräftiges W ürgen zu hören.
    »Übergibt sie sich absichtlich ? «, flüsterte Irene Hannu zu.
    »Ver m utlich. Sie versucht, klarer im Kopf zu w e rden.« Als Sabine die Tür wieder ö ffnete, verbreitete sich d e r säuerliche Gestank von Erb r ochene m . Sie hob m it einem Ruck den Kopf und sagte, ohne die Be a m ten anzusehen: »Kom m en Sie. Ins W ohnzim m er.«
    Etwas schwankend ging sie vor ihnen her. Die einzigen Möbelstücke waren ein sch m utziges Sofa, das ein m al zu Anbeginn der Zeiten hellblau gewesen war, und ein schadhafter Rohrstuhl. In der E cke stand eine leere Staffelei. Mitten im Z i m m er glänzte ein nagelneuer Farbfernse h er. Aber es waren nicht die Möbel, d i e m an als Erstes be m erkte, wenn m an das Z i mmer betrat.
    Kein ein z i g er Quadr a t z enti m eter d er Tapete war zu sehen. An den W änd e n hingen S abines Gemälde. Sie waren groß und alle etwa in den

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