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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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Modelle. Aber sie schossen trotzdem auf uns zu, um die überlegenen Maschinen unserer Verfolger mutig anzugreifen. Als sie nahe an uns vorbeikamen, sah ich, dass sie große Andreaskreuze an ihren Rümpfen trugen.
    Auf meinen verdutzten Blick hin sagte Slayton: »Einige unserer Freunde von der schottisch-republikanischen Air Force, Dr. Wolfe.«
    Aufgrund Englands internationaler Neudefinition nach der Kontroverse um die Churchill-Princip-Briefe, die »enthüllt« hatten, dass britische Führer die Schuld am Ersten Weltkrieg trugen, hatte sich das schottische Parlament entschieden, in aller Form die nationale Unabhängigkeit zu erklären. Die Welt wusste jedoch nicht, dass Malcolms Team diese Briefe gefälscht hatte und damit indirekt für diesen gewichtigen Schritt verantwortlich gewesen war. Überdies hatte Malcolm, der seine Mehrheitsbeteiligung an der Tressalian Corporation verkauft hatte, um sich ganz seiner Desinformationskampagne widmen zu können, mit einem Teil der fantastischen Erlöse insgeheim eine Gruppe kleiner Hebrideninseln von den Schotten erworben. Der Preis war so hoch gewesen, dass Edinburgh erfolgreich den bewaffneten Widerstand gegen Englands Versuche aufnehmen konnte, seinen nördlichen Nachbarn erneut zu unterjochen. Seitdem hatte Malcolm Jahr für Jahr einen großzügigen Beitrag zu dem geleistet, was London beharrlich die »schottische Rebellion« nannte, der Rest der Welt jedoch den »schottischen Unabhängigkeitskrieg«. Einige der praktischen Konsequenzen seiner Großzügigkeit zeigten sich jetzt offenbar im Luftraum um uns herum.
    »Aber werden sie die englischen Flugzeuge wirklich angreifen?«, fragte ich. »Es sieht nicht so aus, als hätten sie eine Chance gegen sie.«
    »Haben sie auch nicht«, sagte Slayton. »Sie fliegen alte, mit Sparrows bestückte Harriers – zu langsam, und nicht genug Feuerkraft. Aber darum geht es nicht. Sie müssen die englischen Maschinen nur lange genug beschäftigen, damit wir tauchen können.«
    Und das taten sie, und wir auch: Kurz darauf war unser Schiff erneut in den Wellen verschwunden. Wir fuhren rasch durch den Pentland Firth und westwärts in den Atlantik. Dann hielten wir uns in Richtung Südwesten, und zwar in so geringer Tiefe, dass wir die ungeheuer aufgewühlte Meeresoberfläche über uns sahen. Trotzdem war ich nicht darauf vorbereitet, wie rau die See war, als wir wieder in die Luft schossen: Es war ein Glück, dass wir nicht auf den Wellen zu reiten brauchten, sondern in einer Höhe von rund fünfzehn Metern dahinfliegen konnten.
    Wenige Minuten später kam unser Ziel in Sicht: sieben Fleckchen Land sprenkelten das Wasser vor uns. Als wir näher kamen, sah ich, dass sie von hohen, dramatischen Felsenformationen, versteckten Buchten und windgepeitschten grünen Feldern geprägt waren.
    »Willkommen, Gideon«, sagte Malcolm, dessen Beschwerden von der Aussicht auf das Ende unserer Reise zumindest ein wenig gemildert wurden. »Willkommen auf den Inseln am Rande der Welt.«

22
    S o wurde offenbar seit ewigen Zeiten die kleine Inselgruppe genannt, die offiziell St. Kilda hieß. Den größten Teil des Jahres durch derart raue See geschützt, dass Schiffe nicht einmal versuchten, in die Nähe des Archipels zu gelangen, schien St. Kilda der perfekte Zufluchtsort für Malcolm und sein Team zu sein. Die Inselgruppe war seit 1930 nicht mehr von Menschen bewohnt und beherbergte jetzt in erster Linie eine großartige Ansammlung von Meeresvögeln – Tölpel, Dreizehenmöwen, Papageientaucher und dergleichen –, die sich an manchen Stellen so dicht drängten, dass sie die Farbe der Landschaft veränderten. Das Auffallendste an den Inseln war jedoch die fast greifbare Aura des Geheimnisvollen, die sie umgab: Die vom Meer geformten Felsen, Reste eines alten Vulkans, zeugten von einer gegen äußere Einflüsse abgeschirmten Vergangenheit voller dunkler Geheimnisse und gefährlicher Abenteuer. Das mag eine romantische Sicht der Dinge sein; doch als wir landeten, hatte die Romantik bereits in jeder Form und Gestalt von mir Besitz ergriffen.
    Malcolm hatte seine Operationsbasis auf der Hauptinsel Hirta eingerichtet, nahe bei den verfallenden Überresten eines kleinen, jahrhundertealten Dorfes. Die Gebäude, aus denen seine Anlage bestand, waren von ihrer Konstruktion her geschickt an diese älteren Steinruinen angepasst, obwohl die Technologie in den neueren Bauten rein gar nichts mit der Vergangenheit zu tun hatte. Alle Wartungseinrichtungen und

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