Die Täuschung
sagte ich und sank resigniert auf einen Stuhl.
»Nein, das nicht«, sagte Jonah. »Die Hauptstadt steht unter Kontrolle der Vereinten Nationen. Der richtige Schwarzmarkthandel findet größtenteils in den Genting Highlands statt, wo man die Stadt unter sich liegen sieht – im alten Spielcasino. Aber Kuala Lumpur ist der einzige Ort, wo die Alliierten Flugzeuge landen lassen, weil sie sowohl die Stadt als auch den Flughafen kontrollieren. Das wird Eshkols erste Station sein. Wahrscheinlich wird er sich als Mitglied irgendeiner humanitären Organisation verkleiden und sich dann durch die Kampflinien bis ins Hochland vorarbeiten.«
Ich nahm die Neuigkeit mit größtmöglicher Fassung auf, ließ den Kopf auf den Tisch sinken und atmete ein paar Mal tief durch. »Und wie ist das malaysische Essen?«, erkundigte ich mich leise.
»Ich glaube kaum, dass Sie Gelegenheit haben werden, es zu kosten«, antwortete Tarbell. »Dort herrscht Krieg, wissen Sie.«
35
E s gab einmal eine Zeit, in der ich entsetzt und wie gebannt auf die ökologischen Auswirkungen afrikanischer Stammeskriege blickte – Stammeskriege wie derjenigen, den ich in den letzten neun Monaten miterlebt habe. Natürlich war mir klar, dass diese Reaktion größtenteils zurückzuführen war auf die von den internationalen Nachrichtenagenturen in Umlauf gebrachten Bilder jener Konflikte; doch obwohl ich diese Manipulation durchschaute, war ich weiterhin genauso gefesselt und erschüttert wie der Rest der Menschheit, und zwar so sehr, dass ich die weitaus zerstörerischen Feldzüge ignorierte, die eine Vereinigung aus Holz-, Landwirtschafts- und Viehzuchtunternehmen gegen die Regenwälder in anderen Teilen der Welt durchführte. Diese Unternehmen waren wichtige Geschäftsbereiche größerer Konzerne, denen wiederum viele Nachrichtenagenturen gehörten, und diese sorgten dafür, dass sich die öffentliche Aufmerksamkeit permanent auf Regionen wie Afrika konzentrierte. Das Ausmaß der Zerstörungen in anderen Regenwäldern – die für die Gesundheit des Planeten natürlich genauso wichtig waren wie ihre afrikanischen Gegenstücke – übertraf bei weitem alles, was Figuren wie mein Freund Häuptling Dugumbe und seine Feinde selbst in ihren erbittertsten Gefechten anrichten konnten; aber Job war Job und Geschäft war Geschäft, und deshalb bekam die Welt bis auf gelegentliche kurze Einblicke einzelgängerischer Journalisten nichts von dieser viel umfangreicheren Umweltzerstörung zu sehen.
Das blieb der Stand der Dinge, bis es fast schon zu spät war; das heißt, bis die Wissenschaftler die Veränderungen der Luftqualität als Folge des Verschwindens dieser natürlichen Sauerstofflabors nicht mehr nur vorhersagten, sondern schlicht und ergreifend vermeldeten. Als die Öffentlichkeit endlich begriff, dass die Erdatmosphäre bereits erhebliche Schäden davongetragen hatte, löste das eine globale Panik aus und rief eine beispiellose Bewegung zur Rettung der noch verbliebenen Wälder auf den Plan, die sich eher durch Militanz als durch Überzeugungsarbeit auszeichnete. Deren praktisches Ergebnis war die Aufstellung spezieller »Überwachungstruppen« der Vereinten Nationen – eigentlich multinationaler Streitkräfte –, die an Orten und in Situationen eingriffen, wo noch am ehesten etwas zu retten zu sein schien: in Brasilien, in diversen Regionen Mittelamerikas sowie in Malaysia.
Die Brasilianer und Mittelamerikaner ließen die Überwachungsmaßnahmen relativ gelassen über sich ergehen. Aber die Malaysier griffen auf ihre alten kriegerischen Traditionen zurück und erhoben sich gegen die fremden Eindringlinge, fest entschlossen, sich keine der wenigen Einkommensquellen, die ihnen nach dem Crash von ’07 noch geblieben waren, ohne angemessene Entschädigung wegnehmen zu lassen – eine Entschädigung, die ihnen kein westlicher Staat zahlen konnte oder wollte. So entstand ein neuartiger Krieg um Bodenschätze, demgegenüber die gewalttätigen Konflikte um Öl und Wasser, die andernorts bereits ausgebrochen waren, vergleichsweise harmlos wirkten. Zwar ließ sich das östliche Malaysia relativ leicht bändigen, nachdem der Sultan des benachbarten Brunei, froh über die Gelegenheit, das Image seines von Skandalen geplagten kleinen Fürstentums aufzubessern, den Vereinten Nationen mit einer großzügigen Spende unter die Arme gegriffen hatte; aber in Westmalaysia sah die Sache anders aus. Nachdem die UN-Truppen aus drei Richtungen zugleich in diesen Landesteil
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