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Die Täuschung

Die Täuschung

Titel: Die Täuschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caleb Carr
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die Stadt.
    Wie sich bald herausstellte, ging die Fahrt zum Dayabumi Complex, einem heruntergekommenen Hochhaus im islamischen Stil, in dem Eshkol offenbar eine Verabredung hatte. Unterwegs beschwerte sich unser Fahrer auf eine Art, die deutlich machte, dass er mehr Geld wollte, über die moralische Fragwürdigkeit der Verfolgung eines anderen Taxis. Während ich seinem Gebrabbel zuhörte, wanderten meine Gedanken wieder einmal zu Max, und ich lachte leise, als ich daran dachte, wie wenig Federlesens er mit dem schimpfenden kleinen Mann am Lenkrad gemacht hätte. Ich fragte mich auch, was er von meinen neuesten Abenteuern gehalten hätte; aber ich maß den Antworten, die ich mir gleich darauf selbst gab, kein großes Gewicht bei. Obwohl ich nicht daran zweifelte, dass Max Larissa sehr geschätzt, Dov Eshkol, die Situation in Malaysia und vieles andere, was ich erlebt und durchgemacht hatte, jedoch auf ausfallende Art verdammt hätte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass er unser momentanes Vorhaben wirklich gebilligt hätte. Ich versuchte mir einzureden, dass diese Haltung in Max’ grenzenlosem Zynismus begründet gelegen hätte, ein Ausdruck seiner in den Jahren bei der New Yorker Polizei gefestigten mangelnden Bereitschaft, zu glauben, dass jemand tatsächlich ein edles oder von hehren Prinzipien geleitetes Motiv für seine Handlungen haben könnte. Doch während ich die Lebenseinstellung und die Motivationen meines toten Freundes aus purem Eigennutz schlecht zu machen versuchte, wurde ich nur immer unsicherer, und als wir vor dem Dayabumi Complex an den Randstein fuhren, erkannte ich, dass ich sein Bild gänzlich aus meinem Kopf verbannen musste.
    Wir hatten den Dayabumi Complex kaum betreten, da sahen wir Eshkol schon wieder herauskommen, nunmehr in Begleitung eines Mannes, der seiner Kleidung und seinen Gesichtszügen nach ein muslimischer Malaysier war. Die meisten der hinduistischen und buddhistischen Minoritäten des Landes, die ursprünglich aus Indien und China stammten, hatten sich während des Krieges aus Rache für die jahrelange schlechte Behandlung durch die vorwiegend islamische Regierung auf die Seite der Alliierten geschlagen. Dass Eshkol sich einen Moslem als Begleiter ausgesucht hatte, war deshalb zumindest ein deutlicher Hinweis darauf, dass er tatsächlich in die von den Royalisten kontrollierten Berge wollte. Wir gingen wieder auf den belebten Platz vor dem Gebäude hinaus und warteten, bis wir schließlich Eshkol und seinen Führer in einem alten japanischen Geländewagen auf dem Karak Highway in Richtung des über fünfzehnhundert Meter hohen Berges jenseits der Frontlinien verschwinden sahen, auf dem das Genting Highland Resort lag. Dann verständigte Larissa ihren Bruder, und wir eilten alle zu einem dunklen, ziemlich menschenleeren Bereich hinter der Nationalmoschee, wo unser Schiff uns abholte. An Bord verfolgte Eli Eshkols Fahrzeug bereits aufmerksam per Satellit.
    Wir flogen ihm langsam und in ziemlich trübseliger Stimmung nach. Vor uns lag das wohl größte Zentrum illegalen Handels und hemmungslosen Vergnügens auf dem Planeten, ein Ort, der keinen passenderen Namen als »das Las Vegas von Malaysia« hätte haben können; aber bevor wir dort ankamen, wartete noch ein weiteres schreckliches Erlebnis auf uns. Wir fanden Eshkols Wagen sowie seinen Fahrer am Anfang der siebzehn Kilometer langen, von Bombenkratern zernarbten Zufahrtsstraße, die von der Fernstraße zum Resort abzweigte: Der unbekannte Moslem, der Eshkol durch die Checkpoints der Alliierten gelotst hatte, war mit einem brutalen Schnitt durch die Kehle belohnt worden, und anschließend hatte Eshkol seinen Weg offenbar zu Fuß fortgesetzt. Er war allem Anschein nach entschlossen, keine Zeugen zurückzulassen, eine Schlussfolgerung, die ich sogar ermutigend fand: Sie deutete zumindest darauf hin, dass er das von ihm geplante Ereignis überleben wollte; folglich konnte es sich nicht um ein Selbstmordattentat mit einer Bombe handeln, nach wie vor die einzige wirklich narrensichere Methode, einen terroristischen Anschlag zu verüben.
    Hätte ich ausführlich genug über die zweite Möglichkeit nachgedacht, die seinen Handlungen innewohnte – nämlich dass es ihm einfach Spaß machte zu töten, wenn sich die Chance bot –, dann hätte ich auf die Stimme gehört, die ich dem armen Max zugeschrieben hatte, und meine Kameraden zur Umkehr gedrängt.

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    S chon lange vor dem Ausbruch des malaysischen Krieges hatte sich das

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