Die Täuschung
sichere Distanz knapp über und neben Eshkols Maschine – obwohl wir immer noch so nah waren, dass ich durch die Fenster hineinschauen konnte; ich sah, wie schrecklich eng es in dem Airbus war, und beobachtete, wie aus einem der Gepäckfächer über den Sitzen mehrere lebende Hühner herausflatterten, derentwegen die Flugzeugbesatzung in völliger Auflösung begriffen schien.
Es gab noch mehr schreckerfüllte Augenblicke, als wir durch einige der verkehrsreichsten Flugrouten der Welt und ein halbes Dutzend Zeitzonen pflügten. Südlich von Indien drehten wir dann nach Osten ab, und der Luftverkehr lichtete sich glücklicherweise; aber wie sich herausstellte, sollte uns nur eine kurze Atempause vergönnt sein. Beim Anflug auf Kuala Lumpur wurden die Schwärme ziviler Flugzeuge von Militärmaschinen ersetzt: Es wimmelte nur so von bemannten und unbemannten Jagdbombern, Transportern, Radar- und Tankflugzeugen. Hinter uns ging inzwischen die Sonne unter, und in ihrem spektakulären goldenen Licht wurden vor uns Rauchsäulen sichtbar, die aus dem westmalaysischen Dschungel emporstiegen: In ihrem Eifer, die Malaysier an der Zerstörung des Regenwaldes zu hindern, brannten ihn die UN-Truppen offenbar selbst nieder. Vielleicht hatte sie aber auch die Wut darüber, von einem angeblich schwachen Land in etwa zum elften oder zwölften Mal in drei Jahrzehnten im Kampf blamiert zu werden, blind für weitere logische Überlegungen gemacht. Wie auch immer, die Anzeichen für die zunehmende Verschärfung des Konflikts häuften sich, als wir uns an der Seite von Eshkols Flugzeug Subang Airport näherten, dem reichlich ramponierten Flughafen der Hauptstadt; und während der Airbus aufsetzte, mussten wir nicht nur anderen Flugzeugen, sondern auch Langstreckengeschossen ausweichen, die von eben jenen Genting Highlands, in die wir aller Wahrscheinlichkeit nach bald reisen mussten, auf die Hauptstadt abgefeuert wurden.
Der Anblick der Kriegszerstörungen im Flughafen war nicht übermäßig deprimierend, weil es sich bei Subang um eines jener vielen Terminals aus dem zwanzigsten Jahrhundert handelte, die von Architekten in dem Bestreben entworfen worden waren, die Zukunft vorwegzunehmen – mit Ergebnissen, die in eben jener Zukunft ziemlich albern aussahen. Es war auch nicht weiter schlimm, dass viele der berühmten, aber nichtsdestoweniger hässlichen Wolkenkratzer von Kuala Lumpur – darunter die Petronas Twin Towers, einst die höchsten Gebäude der Welt – beschädigt oder sogar dem Erdboden gleichgemacht worden waren. Die im historischen Bezirk der Stadt angerichtete Verwüstung war jedoch nicht so leicht wegzustecken. In der Kolonialzeit hatte man in Kuala Lumpur einige der schönsten spätviktorianischen Bauten überhaupt errichtet, vor allem das alte Sultan Abdul Samad Building und den berühmten Hauptbahnhof im maurischen Stil. Beide waren mittlerweile verschwunden und von einer Welt, die dringend Sauerstoff benötigte, kaum beklagt worden. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum sich eine kräftige Spur Zorn in meine Ablehnung beider Seiten in diesem Konflikt mischte, nachdem ich zusammen mit Colonel Slayton, Larissa und Tarbell auf einem Feld westlich vom Flughafen abgesetzt worden war.
Ich stellte bald fest, dass dies die weitaus geeignetste Stimmung war, wenn man Dov Eshkol zum ersten Mal zu Gesicht bekam. Wie erspähten unseren Mann, direkt nachdem er in Subang durch den Zoll gekommen war, und obwohl wir alle uns die Bilder, die ihn in verschiedenen Verkleidungen zeigten, genau eingeprägt hatten und auch über seine Körpermaße Bescheid wussten, wirkte der bärtige, wild dreinschauende Eshkol viel größer und wahnsinniger, als wir alle erwartet hatten. Wie Jonah vorhergesagt hatte, marschierte er in der Uniform einer weltweit tätigen Hilfsorganisation (Ärzte ohne Grenzen) nicht nur durch die Scharen wehklagender Moslems und Hindus, die auf andere Passagiere seines Flugzeugs warteten, sondern auch zwischen den vielen Militärs im Flughafen hindurch, als wäre er unberührbar – und bewies damit natürlich, dass es tatsächlich so war. Keiner von uns wunderte sich darüber, dass er nicht angehalten und befragt wurde – man hatte hier gewiss nicht besonders eifrig nach ihm Ausschau gehalten, denn welcher Flüchtling würde schon Zuflucht in einem Kriegsgebiet suchen? Es dauerte nicht lange, dann saßen wir in einem verbeulten, stinkenden alten Lexus-Taxi und folgten Eshkols ganz ähnlichem Transportmittel in
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